Innovation erfordert Investitionen und darf nicht allein an kurzfristiger Wirtschaftlichkeit gemessen werden

Alexander-Christian Root ist Geschäftsführer von Sustainable Packaging PreZero International, innerhalb von PreZero, dem Kreislaufwirtschaftsunternehmen der Schwarz Gruppe. Er befasst sich mit allen Themen rund um Verpackungen mit Blick auf das Zusammenspiel von Nachhaltigkeit, Digitalisierung und unternehmerischer Verantwortung. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie der Wandel in Richtung Kreislaufwirtschaft gelingen kann und was Politik, Wirtschaft und Gesellschaft jetzt tun müssen. 

Herr Root, PreZero ist eine treibende Kraft in der Transformation zur Kreislaufwirtschaft. Was fasziniert Sie persönlich an der Idee der Circular Economy?

Die Gestaltungskraft unseres Arbeitsumfeldes. Mich fasziniert, Ökologie und Ökonomie in eine sinnvolle Balance zu bringen, insbesondere da wir Kunststoffe und andere Materialien im Kreislauf halten und damit die Wertschöpfungsketten resilienter machen wollen. Wir bei PreZero durchlaufen die ganze Wertschöpfungskette: vom Entsorger und Recycler hin zum Enabler von qualitativ hochwertigen sowie nachhaltigeren Verpackungen. Hierbei greifen wir bei unseren Lösungen auf ein Netzwerk unterschiedlicher und hoch kompetenter Partner zurück.  

Welches sind die entscheidenden Aspekte für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft? 

Zwei Dinge. Erstens, radikale Transparenz durch Digitalisierung. Für uns heißt das: Wir brauchen einen datengestützten Feedbackkreislauf aus allen Bereichen der Verpackungswertschöpfungskette: von unseren Sortieranlagen zu den Verpackungsherstellern bis hin zum Handel. Wir müssen digital zeigen: Dieses Design funktioniert in der Praxis, jenes nicht. Zweitens: Wirtschaftlichkeit durch stabile Märkte und konkret umgesetzte Lösungen. Kreislaufwirtschaft funktioniert nur, wenn sich die Multi-Millionen-Investitionen in Recyclinginfrastruktur lohnen. Dafür brauchen wir stabile Abnahmemärkte für Rezyklate und Mechanismen, die diese Märkte überhaupt möglich machen. Dazu gehört auch eine Absicherung gegenüber Kunststoffen aus fossilen Quellen. Nachhaltige Lösungen, die ökologisch und sozial sinnvoll sind – sie müssen auch gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig sein. Dieses Zusammenspiel aus NachhaltigkeitInnovation, Digitalisierung und internationaler Zusammenarbeit ist nicht nur spannend, sondern auch sinnstiftend: Wirtschaftlich erfolgreich sein und das Leben der Menschen verbessern, das lässt sich hier ideal miteinander verbinden. 

PreZero steht für einen systemischen Wandel in der Abfallwirtschaft. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit innerhalb der Unternehmen der Schwarz Gruppe? 

Alle Unternehmen der Schwarz Gruppe arbeiten in einem einzigartigen Ökosystem an derselben Mission: Nachhaltigkeit selbstverständlich in die Geschäftsprozesse zu integrieren.      Sie ist fester Bestandteil unserer DNA und aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Ökologisches und ökonomisches Handeln müssen für uns Hand in Hand gehen. Ein Beispiel hierfür ist die gemeinsam erarbeitete Kreislaufwirtschaftsstrategie der Unternehmen der Schwarz Gruppe: REset Resources. Unsere Vision: Ressourcen und Wertstoffe erhalten. Heute und für kommende Generationen. 

Wo ist der Punkt, an dem dann PreZero ins Spiel kommt? 

Jede Sparte verfolgt gleichzeitig eigene Maßnahmen, um das Thema weiter voranzutreiben. Im Bereich der Kreislaufwirtschaft übernehmen wir dabei eine zentrale, treibende Rolle. Wir arbeiten in allen Anwendungsfeldern auf Augenhöhe mit den Sparten zusammen. Wenn wir einen Mehrwert bieten können, bringen wir uns ein und ebenso kommen die Sparten aktiv auf uns zu. Diese Zusammenarbeit findet in individuellen Projekten oder unter dem Dach von REset Resources statt.  

Warum stehen Kunststoffverpackungen trotz ihrer Vorteile in der Kritik?

Die Herausforderung bei Kunststoffverpackungen liegt im Spannungsfeld zwischen ihren Stärken und Schwächen. Sie sind leicht, stabil, funktional und oft ökologisch vorteilhaft – solange sie im Kreislauf bleiben. Doch genau hier entsteht das Problem: Gerät das Material in die Umwelt, wird sichtbar, was schiefläuft. Hochfunktionales Material am falschen Ort verursacht Schaden und prägt das Image negativ. Das ist nachvollziehbar, denn die Stärke des Materials wird zur Schwäche, wenn es nicht zurückgeführt wird. Die Kritik ist auch deshalb so laut, weil der Verbraucher seine Verpackung in den Gelben Sack wirft und Vertrauen hat. Wenn wir diese Verpackung dann nicht hochwertig recyceln können, weil ein falscher Klebstoff, eine bestimmte Farbe oder ein Multilayer den Prozess stört, haben wir ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das ist eine der Herausforderungen, der wir uns bei PreZero stellen.  

Wie können wir dieses Imageproblem überwinden?

Wir brauchen weiterhin Verpackungslösungen, die Produkte schützen, im Kreislauf funktionieren, ökologisch und wirtschaftlich tragfähig sowie kundenfreundlich sind. Gleichzeitig muss uns bewusst     werden, dass Wertstoffe wertvoll sind und sie konsequent zurückgeführt werden müssen, um die Abhängigkeit von Neuware zu reduzieren und die ökologischen Vorteile zu heben. Wir können es uns, auch innerhalb industriell entwickelter Länder mit guten Sammelsystemen, nicht mehr leisten,      wichtige Ressourcen ungenutzt zu verlieren. Die Lösung liegt in einer gemeinschaftlichen Anstrengung. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen gemeinsam handeln, um Stoffkreisläufe zu schließen. Jede und jeder Einzelne ist gefragt, Verantwortung zu übernehmen, damit Materialien dorthin zurück gelangen, wo sie wieder genutzt werden können.  

Mit​ der​ Road to Zero Waste in der PreZero Arena und dem Rezyklat-Einkaufskorb bei Kaufland setzen Sie sichtbare Zeichen. Was lässt sich daraus für weitere nachhaltige Verpackungslösungen lernen? 

Die PreZero Arena zeigt eindrücklich, wie Kreislaufwirtschaft im Alltag erlebbar wird:      Besucherinnen und Besucher können im Stadion Wertstoffe (Verpackungen, Papier etc.) trennen – ein einfacher Schritt, der unmittelbar Ressourcen schont und nicht wiederverwertbare Abfälle reduziertBei Kaufland werden beispielsweise aus rezyklierten Wertstoffen neue Produkte: Die neuen Einkaufskörbe bestehen bis zu 87 Prozent aus Recyclingmaterial, das von PreZero aufbereitet wurde. Kundinnen und Kunden greifen damit ganz automatisch zu einem Korbder Teil eines Wertstoffkreislaufs ist.   

Beide Beispiele verdeutlichen, wie wichtig es ist, nachhaltige Lösungen so zu gestalten, dass sie für Endkunden bequem und verständlich sind. Nur wenn Nachhaltigkeit im Alltag unkompliziert funktioniert, können erfolgreiche Modelle auch auf weitere Bereiche übertragen werden. 

Wie wichtig sind solche Pilotprojekte für die gesellschaftliche Akzeptanz und was bedeutet das für die Entwicklung künftiger Lösungen?

Ob eine nachhaltige Verpackungslösung wirklich funktioniert, hängt maßgeblich davon ab, wie gut sie von den Menschen akzeptiert wird. Ein Mehrwegbecher ist nur dann ökologisch sinnvoll, wenn er auch zurückgeführt wird, sonst bleibt der Effekt gering. Deshalb müssen Systeme insb. im To-Go Bereich so gestaltet sein, dass sie im Alltag funktionieren und sich nahtlos in bestehende Gewohnheiten der Menschen einfügen.   

Es braucht vor allem prozesssichere, intuitive Strukturen, die das richtige Verhalten einfach machen, etwa bei der Trennung von Wertstoffen. Ziel ist es nicht, Menschen zu erziehen, sondern ihnen praktikable Lösungen an die Hand zu geben. Wenn nachhaltiges Handeln unkompliziert und nachvollziehbar ist, beteiligen sich die meisten auch aktiv daran. Genau daran arbeiten wir: Lösungen zu entwickeln, die nicht nur theoretisch, sondern im realen Alltag Wirkung entfalten.  

Wie positioniert sich Deutschland im internationalen Vergleich beim Thema Kreislaufwirtschaft – und wo besteht aus Ihrer Sicht der größte Nachholbedarf?

Deutschland nimmt beim Thema Kreislaufwirtschaft in Europa eine führende Rolle ein. Wir verfügen über gut ausgebaute Sammelsysteme und recyceln einen großen Teil der Wertstoffe erfolgreich. Damit haben wir eine starke Position und auch eine gewisse Vorbildfunktion.  

Nachholbedarf sehe ich bei der Frage, wie wir die Menschen stärker motivieren können, Materialien konsequent in den Kreislauf zurückzugeben. Hier sind bessere Anreizsysteme gefragt. Gleichzeitig brauchen wir ein Umdenken, Rezyklate müssen zur ersten Wahl werden. Zudem müssen die Marktbedingungen besser werden. Rezyklate dürfen nicht permanent im Preiswettbewerb mit Virgin-Neuware stehen.  

Wie kann es gelingen, beim Thema Abfalltrennung und Ressourcennutzung ein positiveres Mindset in der Gesellschaft zu verankern?

Die Chancen für einen gesellschaftlichen Wandel sind da. Entscheidend ist, worauf wir als Gesellschaft, Politik und Unternehmen den Fokus legen. In meinen Augen sollten wir viel stärker hervorheben, dass jede und jeder schon heute einen wirksamen Beitrag leisten kann, ganz ohne neue Technologien oder Systeme. Allein das konsequente Trennen von Verpackungsabfällen, zum Beispiel durch die richtige Nutzung des Gelben Sacks, hätte bereits enorme Wirkung. Initiativen wie „Mülltrennung wirkt“, der „Trennbär“ oder Trennhinweise auf Verpackungen helfen dabei, dieses Wissen in den Alltag zu bringen.  

Was wünschen Sie sich von Politik und Gesellschaft, um Kreislaufwirtschaft effektiv voranzubringen?

Von der Politik wünsche ich mir eine klarere, zielgerichtete Regulatorik. Statt kleinteiligem Mikromanagement braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen und Förderprogramme, die Rezyklate als Standard etablieren und langfristig Planungs- und damit Investitionssicherheit schaffen. Rezyklate müssen perspektivisch zum neuen Primärmaterial werden. Hier braucht es mehr Konsistenz und ein stärkeres Augenmerk auf die tatsächliche Wirkung der Maßnahmen im Markt. Gesellschaftlich wünsche ich mir ein größeres Bewusstsein für den Wert von Materialien. Auch eine benutzte Käseverpackung ist ein Wertstoff und gehört in den Gelben Sack, nicht in den Restmüll.   

Welche Rolle spielt die Wirtschaft?

Von der Wirtschaft wünsche ich mir Mut und den Willen zur Kooperation über die eigene Wertschöpfungsstufe hinaus. Die PPWR zwingt uns jetzt dazu. Ein Verpackungshersteller sollte mit dem Recycler sprechen, bevor er ein neues Design auf den Markt bringt. Und ja, Innovation erfordert Investitionen. 

Vielen Dank für das interessante Gespräch Herr Root.