Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: „Jetzt ist aktives Krisenmanagement gefragt“

  • Klarer Fokus auf wirtschaftlichen Aufschwung nötig
  • Koordinierten Krisenmechanismus schaffen, um Binnenmarkt zu schützen
  • Weichen für offene Handelspolitik stellen: EU-China-Investitionsabkommen endlich abschließen
  • Freien Handel zwischen Großbritannien und der EU gewährleisten
  • Nachhaltigkeit und Resilienz durch Marktanreize schaffen

Nach 13 Jahren übernimmt Deutschland wieder die EU-Ratspräsidentschaft. „Es ist gut, dass mit Deutschland nun eine führende Industrienation die Ratspräsidentschaft übernimmt. Jetzt ist aktives Krisenmanagement gefragt!“, kommentiert Thilo Brodtmann, VDMA-Hauptgeschäftsführer. Denn die Corona-Krise ist auch für die Maschinenbauindustrie eine besonders heftige Belastung. Laut der jüngsten VDMA-Umfrage melden insgesamt 80 Prozent der Unternehmen derzeit gravierende Auftragseinbußen oder Stornierungen. „Die EU hat sich mit nationalen Alleingängen und Abschottungen nicht von ihrer besten Seite gezeigt. Klar ist, dass sich solche Vorgänge nicht wiederholen dürfen. Der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, muss daher Top-Priorität für die deutsche Ratspräsidentschaft sein“, fordert Brodtmann.

Die Bedeutung des Binnenmarkts wiederanerkennen
Die Krise hat gezeigt, welche immense Bedeutung der Binnenmarkt für eine funktionierende Wirtschaft hat. Deshalb braucht es einen Krisenmechanismus, der unkoordiniertes Handeln in Zukunft verhindert. „Die deutsche Ratspräsidentschaft muss vor allem dafür genutzt werden, um den Binnenmarkt weiter zu vertiefen, Barrieren abzubauen und die Unternehmen zu entlasten“, fordert der VDMA-Hauptgeschäftsführer. Für die Maschinenbauindustrie sind offene Grenzen und Freizügigkeit von Maschinen, Anlagen und Personal essenziell. Rund 80 Prozent der deutschen Maschinenproduktion wird exportiert, davon rund 45 Prozent in ein EU-Partnerland. Von den deutschen Maschinenimporten stammen sogar mehr als die Hälfte aus einem EU-Mitgliedsstaat.

Offene Handelspolitik notwendig
Beunruhigend findet Brodtmann die derzeitigen protektionistischen Tendenzen. „Dagegen muss Deutschland in den nächsten sechs Monaten im Rat wirken: Die EU darf sich nicht einigeln“, betont Brodtmann. Jetzt werden die Weichen gestellt für eine offene Handelspolitik. Die Maschinenbauindustrie ist mittelständisch strukturiert und deshalb auf offene Absatz­märkte angewiesen. Europa braucht daher Freihandelsabkommen mit den wichtigsten Handelspartnern. Insbesondere das Investitionsabkommen mit China, einem der wichtigsten Handelspartner für die europäische Maschinenbauindustrie, muss endlich abschließend verhandelt werden.

Brexit glimpflich über die Bühne bringen
Die Verhandlungen über den geregelten Austritt Großbritanniens schreiten mühsam und bisher erfolglos voran. Ein harter Brexit rückt immer näher. „Das ist eine schlechte Nachricht für den europäischen Maschinenbau und vor allem für die britische Wirtschaft“, sagt Holger Kunze, Leiter European Office des VDMA. „Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte genutzt werden, um endlich Lösungen zu finden und fairen, freien Handel zwischen der EU und Großbritannien auch ab 2021 zu ermöglichen. Das ist jetzt wichtiger denn je. Nur so kann auch nach dem Brexit eine gute wirtschaftliche Zusammenarbeit gelingen.“

Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit marktwirtschaftlich vorantreiben
Nachhaltigkeit und Resilienz entstehen nicht durch Intervention, sondern durch die richtigen Standortbedingungen und Marktanreize. Die Industrie wird sich auch nach der Corona-Krise weiterhin in Richtung Nachhaltigkeit wandeln. „Dazu müssen Rahmenbedingungen gesetzt werden, die nicht kleinteilige bürokratische Umsetzung erfordern, sondern den Wandel marktwirtschaftlich und technologieneutral anreizen“, sagt VDMA-Hauptgeschäftsführer Brodtmann. Die deutsche Ratspräsidentschaft muss sich deshalb dafür einsetzen, dass Europa mit verlässlichen Energie- und Informationsinfrastrukturen, fairen Wettbewerbsregeln und einer modernen Innovations- und Forschungslandschaft die Grundlagen dafür schafft.