RCI-Bericht: Kohlenstoffflüsse – Angebot und Nachfrage von fossilem und erneuerbarem Kohlenstoff in der globalen und europäischen Wirtschaft

Die RCI hat eine Studie beim nova-Institut in Auftrag gegeben, um eine umfassende Bestandsaufnahme der Kohlenstoffbestände und -flüsse zu erstellen. Alle bei Wirtschaftstätigkeiten verwendeten Quellen organischen Kohlenstoffs und alle Sektoren, in denen Ressourcen genutzt werden, die organischen Kohlenstoff enthalten, werden erfasst. Zu den Kohlenstoffquellen gehören die fossilen Ressourcen Öl, Gas und Kohle sowie die erneuerbaren Kohlenstoffquellen Biomasse, Recycling und CO₂, sofern sie bereits genutzt werden. Dem Bericht zufolge liegt der Anteil des fossilen Kohlenstoffs bei 63%, während Biomasse 35% und Recycling 2% zum gesamten weltweiten Angebot an organischem Kohlenstoff beitragen. In Europa ist der fossile Anteil mit 67% sogar noch höher. Zu den Sektoren, die auf organischen Kohlenstoff angewiesen sind, gehören Lebens- und Futtermittel, der Material- und Chemiesektor sowie Energie und Verkehr. Der Bericht enthält Daten zu den Materialflüssen in all diesen Sektoren und ermittelt die entsprechenden Kohlenstoffflüsse.

Kohlenstoff kann auf grundlegend unterschiedliche Weise verwendet werden. Einerseits wird er als Energieträger verwendet, wobei die in den Molekülen der Kohlenwasserstoffe gespeicherte Energie bei Verbrennungsprozessen zur Stromerzeugung oder als Kraftstoff für den Verkehr freigesetzt wird. Andererseits gibt es Anwendungen, bei denen Kohlenstoff als wesentlicher Bestandteil in das Endprodukt eingebettet ist. Dazu gehören Lebens- und Futtermittel sowie der Material- und Chemiesektor, wo Kohlenwasserstoffe verwendet oder in oft komplexe chemische Moleküle umgewandelt werden. Der kohlenstoffbasierte Materialsektor umfasst Holz für den Bau und Möbel, Papier, Baumwolle für Textilien sowie fossilen und erneuerbaren Kohlenstoff für eine breite Palette von Chemikalien und Kunststoffen.

Während der Energie- und Verkehrssektor durch den Einsatz von erneuerbaren Energien, Elektrifizierung und Wasserstoff dekarbonisiert werden kann und sollte, ist Kohlenstoff in Lebens-mitteln und Materialanwendungen nicht zu ersetzen. Der Materialsektor kann nur defossilisiert, d.h. von fossilen auf erneuerbare Kohlenstoffquellen umgestellt werden. In dem Bericht wird der heutige Anteil an erneuerbarem Kohlenstoff, der in Werkstoffen und Chemikalien enthalten ist, auf einen bemerkenswert hohen Wert von 48% (37% aus primärer Biomasse, 11% aus Recycling) auf globaler Ebene und 44% auf europäischer Ebene berechnet (siehe Abbildung 1 und 2). Bei der stofflichen Nutzung von erneuerbarem Kohlenstoff liegt der dominante Anteil des Bedarfs bei Holz für den Bau und Möbel sowie Zellstoff und Papier. Diese beiden Sektoren sind groß und nutzen erhebliche Mengen an Kohlenstoff in Form von primärer Biomasse, aber auch einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an recycelten biobasierten Produkten. Die chemische Industrie verwendet bisher nur geringe Anteile an biogenem Kohlenstoff und Kohlenstoff aus dem Recycling (6 und 3% weltweit und 4 und 3% in der EU).

Mit einem Anteil von über 90% sowohl weltweit als auch in der EU ist die chemische Industrie nach wie vor stark von fossilem Kohlenstoff als Rohstoff abhängig. Im Vergleich zu anderen Statistiken ist diese Zahl überraschend hoch, aber in dem Bericht der RCI wird zum ersten Mal die Schwerölfraktion (hauptsächlich Bitumen) einbezogen – ein Anwendungsbereich, der bisher ausschließlich fossilen Kohlenstoff verbraucht hat.

In dem Bericht werden umfassende Darstellungen des derzeitigen Angebots an Kohlenstoff gezeichnet und für den Chemiesektor wird eine tiefgreifende Analyse durchgeführt. Neben dem in den Energieträgern enthaltenen Kohlenstoff, der in der chemischen Industrie verwendet wird, wird ein zusätzlicher jährlicher Bedarf von 710 Megatonnen Kohlenstoff (Mt C) berechnet, der als Rohstoff in den Chemikalien und Materialien gebunden ist. Der Teilsektor Chemikalien und daraus hergestellte Materialien verwendet derzeit zu 88% fossilen Kohlenstoff als Rohstoff.

Von diesem Punkt aus skizzieren die Autoren ein exploratives Szenario für 2050, das einerseits eine wachsende Nachfrage aufgrund des steigenden Verbrauchs von Chemikalien und Kunst-stoffen und des steigenden Bedarfs an Straßeninfrastruktur berücksichtigt. Andererseits basiert das Szenario auf einem vollständigen Ausstieg aus fossilen Rohstoffen und einen Umstieg auf erneuerbare Kohlenstoffquellen. Für Chemikalien und daraus hergestellten Materialien wird ein Anteil von 55% angenommen, der auf einem ambitionierten Ausbau sowohl des mechanischen als auch des chemischen Recyclings beruht. Aber Recycling allein kann den Kohlenstoffkreis-lauf nicht vollständig schließen, es muss zusätzlicher erneuerbarer Kohlenstoff in den Kohlen-stoffkreislauf eingespeist werden. Im explorativen Szenario wird deshalb Biomasse benötigt, um die Nachfrage nach Chemikalien und Folgeprodukten zu decken, aber der Anteil ist aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von land- und forstwirtschaftlichen Flächen sowie des potentiellen Verlustes der biologischen Vielfalt auf 20% beschränkt. Der verbleibende Anteil von 25% wird durch Carbon Capture and Utilization (auf Deutsch: CO2-Abscheidung und -Nutzung, abgekürzt CCU) bereitgestellt, wobei CO2-Emissionen aus fossilen und biogenen Punktquellen sowie die direkte Abscheidung aus der Luft genutzt werden.

Die gesammelten Daten verdeutlichen auch die Abhängigkeit des Energie- und Verkehrssektors von fossilen Kohlenstoffquellen. Darüber hinaus können die Daten als Grundlage für den Aus-stieg des Materialsektors aus fossilem Kohlenstoff verwendet werden, ein Prozess, der als Defossilisierung bezeichnet wird. Die Informationen können die Grundlage für die Gestaltung der künftigen Verteilung erneuerbarer Kohlenstoffquellen für die Sektoren Futter- und Lebensmittel, Werkstoffe und Chemikalien sowie Energie und Verkehr bilden: ein umfassendes Kohlenstoffmanagement in allen Sektoren.