Konjunkturflaute in der Kunststoffverarbeitung: Was jetzt zu tun ist

Das erste Halbjahr war für die Kunststoff verarbeitende Industrie
von einem deutlichen Umsatzrückrang gekennzeichnet. Der Gesamtverband
Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV), Spitzenverband des Industriezweigs,
fordert von der deutschen Bundesregierung eine Kurskorrektur in der
Wirtschaftspolitik.

Geringere Umsätze im Handel und in wichtigen Industriezweigen ließen den Umsatz
der Kunststoff verarbeitenden Industrie in den Monaten Januar bis Juni 2023 nach
Angaben des Statistischen Bundesamtes um 4,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr sinken.
Die Zahl der Beschäftigten bewegt sich bisher auf dem Vorjahresniveau. Allerdings
machen Branchenunternehmen vermehrt vom Instrument der Kurzarbeit Gebrauch.
Auch das Geschäftsklima für die Hersteller von Kunststoffwaren ist ausweislich
des Geschäftsklimaindex des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
an der Universität München e.V. weiter deutlich negativ.

Auch wenn ein Teil des Umsatzrückgangs auf gegenüber dem Vorjahr veränderte
Rohstoffpreise zurückzuführen sein mag, so trifft der Umsatzrückgang in vielen
wichtigen Kundenindustrien auch die Kunststoff verarbeitende Industrie spürbar.
Besonders stark von der Konjunkturflaute betroffen sind die Hersteller von Halbzeugen
(Platten und Folien aus Kunststoff), deren Umsätze um 10,8 Prozent zurückgingen.
Die Umsätze der Hersteller von Verpackungsmitteln aus Kunststoff waren mit
6 Prozent ebenfalls rückläufig. Hier schlagen sich insbesondere die schwachen Umsätze
im Einzelhandel und die Umsatzrückgänge in wichtigen Kundenindustrien, beispielsweise
der Chemieindustrie, nieder. Die Hersteller von Baubedarfsartikeln aus
Kunststoff verzeichneten mit rund 8 Prozent ebenfalls ein deutliches Umsatzminus.
Gestiegene Zinsen dämpften die Nachfrage am Bau zuletzt spürbar. Zulegen konnten
hingegen die Hersteller sonstiger Kunststoffwaren, insbesondere technischer
Kunststoffprodukte, mit einem Umsatzplus von 4,7 Prozent. Nach einem krisenhaften
Vorjahr verzeichnete die Automobilindustrie zuletzt wieder deutliche Umsatzsteigerungen.
Allerdings sind Experten skeptisch, ob der Aufschwung in der zweiten
Jahreshälfte andauert.

„In der aktuellen Verfassung droht dem Industrieland Deutschland die massenhafte
Abwanderung von Produktion in andere Länder und ein langsames Ausbluten durch
den fehlenden Nachwuchs an Fachkräften. Die deutsche Bundesregierung muss jetzt
mindestens einen Gang hochschalten“, fordert die Präsidentin des Gesamtverbandes
Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV), Dr. Helen Fürst. „Das von der Bundesregierung
angekündigte so genannte Wachstumschancengesetz reicht mit 6
Mrd. Euro Fördervolumen und diversen bürokratischen Hürden für die antragstellenden
Unternehmen in keiner Weise aus, um der Industrie den notwendigen
Schwung zurückzugeben und wird absehbar gerade die mittelständische Industrie
nicht in dem notwendigen Maße erreichen“, so Fürst. „Bei wichtigen Anliegen der
Industrie wie international wettbewerbsfähigen Strompreisen, einer großen Unternehmenssteuerreform
und eines kräftigen Investitionsschubs für die Digitalisierung
unserer Wirtschaft ist die Regierungskoalition auf Bundesebene uneinig oder erkennbar
gänzlich unwillig. Stattdessen belastet die Regierung die Industrie beispielsweise
durch die Abschaffung des Stromsteuerspitzenausgleichs zur Unzeit. Das schadet
dem Industrieland Deutschland“, sagte Fürst.

Die Präsidentin des GKV führte weiter aus: „Um die Wirtschaft aus der Krise zu führen,
ist ein breit angelegter und unmittelbar wirksamer Befreiungsschlag für die
Wirtschaft erforderlich, welcher unter anderem folgende Maßnahmen enthält: Die
Stromsteuer muss auf das europäische Mindestniveau abgesenkt werden. Es wäre
sinnvoll, dass der Bund die Netzentgelte vollständig in den Bundeshaushalt übernimmt.
Wir brauchen Unternehmenssteuern, deren Niveau international wettbewerbsfähig
ist. Der private Wohnungsbau und die energetische Sanierung von
Wohngebäuden müssen endlich von der Überfrachtung mit Standards befreit werden.
Deutschland muss deutlich schneller und konsequenter ausländische Fachkräfte
aktiv werben.“