Interview auf dem Weg zur K 2025 mit Georg Kiesl, General Manager bei Billion SAS
Herr Kiesl, die wirtschaftliche Entwicklung verläuft in großen Teilen Europas stockend. Sehen Sie dennoch Standortvorteile?
Die Vorteile, die wir in Europa haben, allen voran in Frankreich und Deutschland, sind im Grunde die Vorteile, die den Mittelstand ausmachen. Einer davon ist seine große Anpassungsfähigkeit. Wir sind sehr gut darin, Situationen zu erkennen und uns in sehr hohem Maß an den tatsächlichen Bedarf eines jeden Kunden anzupassen. Weitere Vorteile sind eine flexible Organisation und ein intaktes Ökosystem im Kunststoffmaschinenbau. Das heißt, es gibt viele Unternehmen, die ähnlich aufgestellt sind und es gibt entsprechende Organisationen und Strukturen. Als Gesamtheit können wir dadurch sehr schnell neue Themen und Trends erkennen und uns darauf einstellen.
Wiegen diese Vorteile den Nachteil meist höherer Kosten auf?
Ich glaube, ja. Wir verfolgen das Ziel, den Kundenbedarf bestmöglich zu befriedigen. Dadurch schaffen wir für ihn einen echten Mehrwert. Wenn wir diesen Fokus auf den Mehrwert auch in Zukunft halten, wird es für uns gut weitergehen. Wir bei Billion sehen zum Beispiel ganz klar, dass Standardprodukte nicht mehr gefragt sind. Der Kunde will Sondermaschinen, die auf seinen ganz konkreten Bedarf zugeschnitten sind. Und wir sind in der Lage, diese ganz speziellen Anforderungen zu erfüllen. Ein Blick zurück auf die vergangenen zwei Jahre zeigt ganz klar, dass diese Mehrwert-Applikationen funktionieren. Und damit können wir uns im Wettbewerb sehr gut behaupten, auch im internationalen, auch mit China. Es geht eben nicht alles nur über den Preis. Es geht um spezielle Applikationen, um Reaktionsschnelligkeit, Produktionseffizienz über den gesamten Produktionszyklus hinweg. Wir haben einen Kunden, der produziert Kunststoffteile für Haushaltsgeräte. Also Massenprodukte. Man könnte vermuten, dieser Kunde zieht preisgünstige Maschinen aus Fernost unseren vor. Das tut er aber nicht. Er hat uns gewählt, weil wir ihm einen Mehrwert bringen, wenn er sich seine gesamte Produktionskette ansieht und weil wir ihm nahe sind. Diese Nähe wird auch heute noch hochgeschätzt.
Wie ermitteln Sie den Mehrwert für den Kunden?
Wir fragen uns, was wir verändern können, damit der Kunde aus seiner Standardanwendung herausfindet. Wir suchen nach Zusatzfunktionalitäten und Zusatzeffizienzen. Wir fragen uns, ob wir Montageschritte vereinfachen können, wie wir Prozesse besser stabilisieren können, ob der Kunde besser mit anderen Materialien arbeiten könnte und wie wir unsere Maschinen darauf anpassen müssen. Eine große Rolle spielt dabei unsere Mehrkomponententechnik, das Sandwich-Verfahren. Das gibt es schon lange, aber heute bringt es immer mehr Kunden einen Mehrwert. Beispielsweise, wenn er Rezyklate verwenden will, die Oberflächen seiner Produkte aber absolut makellos sein müssen. Wir verstecken dann quasi Rezyklate im Inneren eines Teils und umgeben es außen mit Virgin Material. In einem anderen Anwendungsfall wollte ein Kunde Dachziegel aus Polypropylen durch Zugabe eines teuren Additivs besser gegen UV-Strahlung schützen. Mithilfe des Sandwich-Verfahrens verwendet er die Additive nun nur in der Außenschicht. Im Inneren bringt er nur Polypropylen ein.
Wie halten Sie Ihre Produktionskosten in Schach?
Wir haben einen Plattformansatz. Wir haben nach wie vor unsere Grund-Maschinen, eine vollelektrische Maschine und zwei Arten von hydraulischen Maschinen. Diese Maschinen sind aber sehr anpassungsfähig. Ein großer Teil der Maschine ist leicht reproduzierbar, etwa das Chassis, die Schließe, die Einspritzeinheit. Aber alles andere können wir individuell gestalten. Durch den Plattformansatz haben wir auf der einen Seite die Möglichkeit, jede Maschine an den Kunden anzupassen, auf der anderen Seite spielen wir trotzdem in einem preislich kompetitiven Rahmen. Das ist zwingend notwendig. Denn der Kunde muss sich den Mehrwert auch leisten können.
Hält die Dynamik der Kreislaufwirtschaft an?
Die Kreislaufwirtschaft hat inzwischen einen hohen Reifegrad erreicht. Auf der K 2022 ging es vor allem darum, die neuen Technologien vorzustellen. Diese Technologien sind inzwischen viel ausgereifter. Jetzt spricht man mehr darüber, wie und wo man diese Technologien nutzbringend einsetzen kann. Das ist nicht ganz so spektakulär, deshalb hört man das Wort Kreislaufwirtschaft auch nicht so häufig wie vor drei Jahren. Der Grundgedanke aber, von einer linearen Wirtschaft zu einem Kreislauf zu kommen, der gewinnt immer weiter an Bedeutung. Das sehen wir sehr gut in unserem Technikum, wo rund drei Viertel aller Versuche das Sandwich-Verfahren betreffen. Da geht es um den Einsatz verschiedenster Rezyklate und auch um die Einsparung wertvoller Ressourcen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Kunststoffs?
Kunststoff wird in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Der Klimawandel, die größte Herausforderung unserer Zeit, kann ohne Kunststoff nicht bekämpft werden. Nehmen wir die Elektromobilität als Beispiel, die ja zu einer Verkleinerung des CO2-Fußabdrucks führen soll: Die dafür nötigen Kühlungssysteme, Batterien oder Batterieträger sind nur mit Kunststoff wirtschaftlich machbar. Überdies hat Kunststoff gegenüber vielen Materialien große Vorteile: Er ist leicht, wiederverwertbar und der Energieaufwand zu seiner Herstellung ist niedriger. Den Kunststoff sollte man also aus einer Makroperspektive betrachten. Dann werden seine Vorteile schnell deutlich.