Composites-Markt setzt Abwärtstrend fort
Die Europäische Composites-Industrie konnte auch 2024 den Abwärtstrend nicht stoppen. Bereits im dritten Jahr in Folge ging das europäische Produktionsvolumen deutlich zurück. Die derzeitige Entwicklung ist maßgeblich strukturellen Schwächen in zentralen Anwendungsbereichen sowie wirtschaftlichen und industriellen Herausforderungen in den europäischen Kernregionen geschuldet. Besonders betroffen ist Deutschland, als nach wie vor größte Volkswirtschaft innerhalb der EU. Nach einer ersten Schätzung von EUROSTAT ist das BIP im Euroraum um 0,7 % und in der EU um 0,8 % gestiegen. Im selben Zeitraum ging es in Deutschland Schätzungen zufolge um 0,2 % zurück. Auslöser dieses negativen Trends sind allgemeine wirtschaftliche Schwächen, vor allem im produzierenden Gewerbe und der Industrie. Besonders die Automobilindustrie und der Bau- und Infrastrukturbereich, als wichtigste Anwendungsindustrien der Composites-Industrie in Europa, zeigen derzeit stark negative Tendenzen.
Analog zeigt sich das Bild der Composites-Industrie. Das Sinken des absoluten Marktvolumens in Europa war gepaart mit einem wachsenden Weltmarkt. Das trieb die Schere zwischen der europäischen und der weltweiten Composites-Industrie immer mehr auseinander. Der Marktanteil Europas ist seit vielen Jahren rückläufig.
Der betrachtete Markt
Die Analyse der AVK betrachtet alle Glasfaserverstärkten (GFK-) Materialien mit einer duroplastischen Matrix. NCF (Non-Crimp-Fabrics) werden gesondert ausgewiesen. Im Thermoplast-Markt werden die Langfaserverstärkten Thermoplaste (LFT), Glasmattenverstärkten Thermoplaste (GMT) sowie Endlosfaserverstärkten Thermoplaste (CFRTP) berücksichtigt. Außerdem wird die europäische Herstellungsmenge für Kurzglasfaserverstärkte Thermoplaste gesondert ausgewiesen.
Gesamtentwicklung des Composites-Marktes
Das Volumen des weltweiten Composites-Marktes betrug im Jahr 2024 insgesamt 13,5 Millionen Tonnen (Quelle: JEC). 2023, mit einem Volumen von 13 Millionen Tonnen, lag das Wachstum bei etwa 4 %. Im Vergleich dazu ist die europäische Composites-Produktionsmenge 2024 um 5,6 % zurückgegangen. Der gesamte europäische Composites-Markt umfasst damit ein Volumen von 2.416 Kilotonnen (kt) nach 2.559 kt in 2023. Der Markt entwickelt sich somit rückläufig und fällt auf das Niveau von 2012 zurück.
Insgesamt war die Marktdynamik in Europa deutlich geringer als im Markt weltweit. Der Marktanteil von Europa am Weltmarkt liegt jetzt bei etwa 18 % (nach etwa 20 % in 2023). Die Marktanteile verschieben sich weiter zugunsten Amerikas und Asiens. Wie auch in den vergangenen Jahren ist die Entwicklung innerhalb Europas nicht einheitlich. Zurückzuführen ist das auf regional sehr unterschiedliche Kernmärkte, die hohe Variabilität der verarbeiteten Materialien, ein breites Spektrum unterschiedlicher Herstellungsverfahren sowie stark unterschiedliche Einsatzgebiete.
Der mengenmäßig größte Teil der gesamten Composites-Produktion fließt in den Transportbereich, der fast 50 % des Marktvolumens ausmacht. Die beiden nächstgrößeren Bereiche sind der Elektro-/Elektronikbereich sowie Anwendungen in Bau und Infrastruktur.
Entwicklung des Marktes für Duroplastische Composites
Die gesamte Herstellungsmenge Duroplastischer Composites (ohne CFK) betrug im Jahr 2024 insgesamt 983 kt, nach 1.073 kt im Vorjahr. Damit lag der Anteil dieser Materialgruppe bei 41,8 % des Gesamtmarktes in Europa. Im Vergleich zum langfristigen Trend zeigt sich eine mittlerweile deutliche Abnahme des Marktanteils im Gegensatz zu den thermoplastischen Systemen. Die Hauptanwendungsgebiete für Duroplastische Composites bleiben der Bau-/Infrastrukturbereich sowie der Transportbereich.
Entwicklung des Marktes für Thermoplastische Composites
Der Markt für Thermoplastische Composites umfasste in Europa im Jahr 2024 ein Gesamtvolumen von 1.368 Kilotonnen (kt), nach 1.423 kt im Vorjahr. Dennoch steigt der Marktanteil dieser Systeme am europäischen Gesamtmarkt auf 58,2 % nach 57 % im Jahr 2023. Im Vergleich zum Vorjahr sinkt das Marktvolumen um 3,9 % und somit weniger deutlich als bei den duroplastischen Materialien. Die größte Materialgruppe innerhalb der Thermoplastischen Composites, aber auch im Gesamtmarkt, sind dabei die sogenannten Kurzglasfaserverstärkten Kunststoffe. Die zweitgrößte Gruppe innerhalb der Gruppe der thermoplastischen Materialien sind die Langfaserverstärkten Kunststoffe (LFT). Hauptanwendungsgebiet für Thermoplastische Composites ist mit fast zwei Dritteln des Marktes der Transportbereich. Innerhalb dieses Segmentes dominieren der Pkw- und Nutzfahrzeugbereich. Zusammen mit Elektro-/Elektronik-Anwendungen ergibt sich für das Jahr 2024 ein Marktanteil von fast 90 %. Von zentraler Bedeutung für die thermoplastischen Composites ist der Pkw-Markt. Wurde in der Automobilindustrie in den ersten beiden Jahren nach der Corona-Pandemie oftmals noch von einer konjunkturellen Schwäche gesprochen, offenbart sich 2024 das ganze Ausmaß des strukturellen Problems der europäischen und vor allem auch deutschen Automobilindustrie. Weiterhin zeigt sich ein genereller Trend auf Seiten der europäischen OEMs (Original Equipment Manufacturer), der die Verkaufszahlen weiter drückt.
Es zeigt sich eine Erholung des Fahrzeugmarktes, der sich aber derzeit im europäischen Composites-Markt nur sehr geteilt widerspiegelt.
SMC/BMC als größtes Einzelsegment im europäischen GFK-Markt (alle duroplastischen sowie die lang- und endlosfaserverstärkten thermoplastischen Materialien) mit einem Marktvolumen von 259 kt, verzeichneten 2024 ein um fast 8% gefallenes Produktionsvolumen. Gründe hierfür sind bspw. regulatorische Unsicherheiten in speziellen Einsatzgebieten und die verlangsamte Nachfrage im Pkw- sowie Bau- und Infrastrukturbereich. Der SMC-Markt geht 2024 um 7,4 % und der BMC-Markt um 8,9 % zurück.
NCF als zweitgrößte Gruppe weisen noch ein Volumen von 212 kt auf, das Marktsegment verliert insgesamt 7,8%. Trotz hoher Investitionen in die Windenergie bleibt das Segment unter Druck, da die Produktion zunehmend von asiatischen Anbietern dominiert wird.
Die Offenen Verfahren – Handlaminieren und Faserspritzen – sind mit einer Herstellungsmenge von 165 kt weiterhin eines der größten Segmente im GFK-Markt in Europa. Im Jahr 2024 ging jedoch auch dieses Marktsegment um überdurchschnittliche 11,3 % zurück – bedingt durch strengere gesetzliche Auflagen, Fachkräftemangel und die abnehmende Nachfrage in speziellen Anwendungsbereichen.
Nach einer Phase, in der sich die RTM-Verfahren kontinuierlich entwickeln konnten, geht das europäische Produktionsvolumen um 8,1 % auf insgesamt 113 kt zurück. Damit ist der Rückgang etwa so hoch wie der des gesamten duroplastischen Composites-Marktes.
Die Produktion von GFK-Bauteilen mit den sogenannten Kontinuierlichen Verfahren (Pultrusion und Herstellung planer Platten) weist 2024 einen Volumenrückgang von 6,4 % auf. Insgesamt fällt das Produktionsniveau bei der Pultrusion um 4% auf eine Menge von 48 kt. Bei den planen Platten steht ein Rückgang von 7,9 % auf ein Volumen von 70 kt.
Das Marktsegment der GFK-Rohre und -Tanks, hergestellt mit Schleuder- oder Wickelverfahren, ist im betrachteten Jahr um 6,3 % zurückgegangen. Das Produktionsvolumen lag 2024 bei insgesamt 104 kt, wobei 56 kt auf die Wickelverfahren und 48 kt auf die Schleuderverfahren entfallen. Trotz generell positiver Zukunftsaussichten ist auch dieser Sektor in besonderer Form von den Schwächen im Bereich Bau und Infrastruktur und einer schwierigen Wirtschaftslage betroffen.
Der Markt für GMT ist 2024 um 4,3 % auf ein Gesamtvolumen von 22 kt zurückgegangen. Der Rückgang war somit etwas höher als der des Gesamtmarktes für thermoplastische Materialien, der um 3,9 % geschrumpft ist. Die LFT (Langfaserverstärkten Thermoplaste) verlieren 2024 insgesamt 2,2 % und erreichen ein Produktionsvolumen von 88.000 Tonnen. Die CFRTP (Endlosfaserverstärkte Thermoplaste) sind nach wie vor ein Nischenprodukt. Hier zeigen sich keine nennenswerten Änderungen, was vor dem Hintergrund eines generell rückläufigen Marktes eher als positives Signal zu verstehen ist. Das Marktsegment erreicht ein Volumen von 10 kt.
Auch wenn sich die Eigenschaften von kurzglasfaserverstärkten Materialien zu lang- und endlosfaserverstärkten Systemen teils deutlich unterscheiden, zählt diese wichtige Materialgruppe zu den Composites. Der europäische Markt für Thermoplastische Kurzglasfaserverstärkte Materialien geht im Jahr 2024 um fast 4 % zurück. Das Produktionsniveau sinkt auf 1.248 k. Dennoch bleiben die Kurzglasfaserverstärkten Thermoplaste mit Abstand das größte Einzelsegment in der Composites-Industrie.
Regionale Marktentwicklung
Die prozentualen Verschiebungen nach regionalen Schwerpunkten haben sich 2024 gegenüber 2023 nur im Nachkommabereich verändert. Insgesamt gab es in allen erfassten Regionen absolute Rückgänge.
Der deutsche Duroplast-Markt erreicht im Jahr 2024 ein Volumen von 187 kt (2023 = 208 kt). Mit einem Anteil von 19 % ist Deutschland wieder der derzeit größte Markt innerhalb der erfassten Regionen. An zweiter Stelle folgen die osteuropäischen Länder mit einem Marktanteil von 18,9 %. Diese Region umfasst Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Serbien, Kroatien, Mazedonien, Lettland, Litauen, Slowakei und Slowenien. Spanien/Portugal bilden mit einem Marktanteil von 14,5 % die drittgrößte Gruppe. Nur knapp dahinter folgt Italien mit einem Marktanteil von 14,2 %. Diese vier Regionen stehen zusammen für fast zwei Drittel des europäischen Composites-Marktes. Als nächstgrößere Verarbeitungsregion folgt UK/Irland mit einem Marktanteil von 13,8 %. Frankreich liegt mit einem Marktanteil von 10,4 % bereits deutlich dahinter. Die verbleibenden Verarbeitungsregionen werden angeführt von den Benelux-Staaten mit einem Anteil von 3,8 %. Etwas geringer war das Volumen mit 3,5 % in den nordeuropäischen Ländern. Der geringste prozentuale Anteil entfällt mit 1,8 % auf Österreich/Schweiz.
Es gilt zu berücksichtigen, dass es in fast allen Regionen sehr unterschiedliche Schwerpunkte der Composites-Industrie gibt. Dementsprechend sind die verschiedenen Länder/Regionen oftmals auch sehr unterschiedlich von den gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen betroffen.
Kommentar: Die europäische (Composites-) Industrie befindet sich am Scheideweg – Ein Appell an die Wertschöpfung
„Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!“
Diese Metapher lässt sich auf die aktuelle Diskussion über die Zukunft der Industrie in Europa anwenden. Wichtige Indikatoren, wie die Krise in der Automobilindustrie, schwächelnde Baukonjunktur und steigende Energiepreise, deuten auf eine schwierige Lage hin. Gleichzeitig nimmt die Produktion in Schwellenländern wie China und Indien zu, während die Wettbewerbsfähigkeit der etablierten Industrien sinkt.
Wird es also Zeit, vom Pferd abzusteigen? Ist die europäische (Composites-) Industrie tatsächlich am Ende und muss sich letztendlich der Tatsache beugen, dass in anderen Regionen besser und billiger produziert werden kann? Aus Sicht der europäischen Composites-Industrie ist das der falsche Weg!
Europa befindet sich in einer Zeit des tiefgehenden Umbruches, aber das bedeutet nicht das Ende. Der Umbruch wird nicht schnell oder einfach sein, er ist aber notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Ein einfaches „Weiter so!“ wird nicht reichen. Es stellt sich die Frage nach mittelfristigen Lösungen und was unsere Industrie Jahrzehnte lang ausgezeichnet hat – Qualität, Innovationskraft und Forschung.
Europa kann im globalen Wettbewerb nicht mit Niedrigpreismodellen konkurrieren, vor allem nicht mit China. Doch anstatt die Industrie abzuschreiben, sollte sie neue Chancen ergreifen. Die Debatte um Nachhaltigkeit bietet besonders für die Composites-Industrie Potenzial, da neue Antriebssysteme und regenerative Energien großes Wachstumspotenzial bieten. Diese Chancen müssen durch politische Unterstützung und ein faires internationales Wettbewerbsumfeld gefördert werden.
Ein nachhaltiger Strukturwandel ist notwendig, um den Klimawandel zu bekämpfen. Dabei ist es entscheidend, dass Europa seine Innovationen vorantreibt. Forschungskooperationen und Investitionen in neue Technologien wie KI und Robotik sind unerlässlich. Die europäische Industrie muss ihre Innovationskraft ausbauen und gleichzeitig die Wertschöpfungskette optimieren, von der Idee bis zum fertigen Produkt.
Die derzeitige Krise ist nicht nur eine Folge der Corona-Pandemie, sondern das Resultat langfristiger Probleme.
Die Industrie muss jetzt entschlossen handeln, um sich mittel- und langfristig neu aufzustellen. Die Composites-Industrie hat großes Potenzial, insbesondere in Zeiten, in denen neue Herausforderungen auch neue Chancen mit sich bringen. Die europäische Industrie ist nicht am Ende – sie muss nur neue Wege finden, um erfolgreich in die Zukunft zu gehen – dann kann das Pferd auch weiterhin geritten werden.