Die Entlastung der Operator wird zunehmend wichtiger

Interview auf dem Weg zur K 2025 mit Dr. Henning Stieglitz, CEO und CTO bei der BC Extrusion Holding GmbH

Herr Dr. Stieglitz, wo kann man in der Kunststoffextrusion noch Effizienzen verbessern?
Es gibt für uns vier Stellschrauben. Der Materialeinsatz, die Liniengeschwindigkeit, der Energieeinsatz und der Einsatz von Rezyklaten. Der größte Hebel ist der Materialeinsatz. Hier liegt auch der Schwerpunkt unserer Forschung. Es geht darum, die Toleranzen so gering wie möglich zu halten, damit der Kunde an die unterste Grenze fahren kann und gleichzeitig die höchsten Materialeinsparungen hat. Ideal wäre es, aus 100 kg Material, 100 kg Rohr oder Fensterprofil zu bekommen. In der Regel muss man immer ein bisschen mehr einsetzen, sei es, dass die Umrüstzeit Materialeinsatz erfordert, die Materialeigenschaft es nicht zulässt oder man auch an Grenzen beim Werkzeug stößt. Der Rezyklateinsatz ist ein
vergleichsweise neues Thema. Er ist stark abhängig von der Applikation. Im Bereich Fensterprofile werden schon lange hohe Mengen eingesetzt. Im Rohrbereich kommt es so langsam in Gang und auch im Verpackungsbereich nimmt der Rezyklateinsatz seit Jahren zu.

Ist es schwierig, einerseits den Materialeinsatz möglichst gering zu halten und zugleich Rezyklate einzusetzen? 
Ja, weil die Eigenschaften der Rezyklate in der Regel nicht so konstant sind wie bei Neuware. Das ist ein Thema, das uns die letzten Jahre immer stärker beschäftigt. Wie kann der Kunde aus dem Postconsumer-Material das bestmögliche Produkt herstellen – unter einem möglichst geringen Materialeinsatz und natürlich auch mit möglichst geringem Energieeinsatz? Das ist eine Herausforderung, die in den letzten Jahren überall immer stärker geworden ist und worauf wir auch die Maschinenkonzepte immer stärker abstellen.

Setzen Sie schon künstliche Intelligenz ein?
Battenfeld-cincinnati möchte KI insbesondere zur Unterstützung der Operator einsetzen, um ihre tägliche Arbeit zu erleichtern. Wir haben festgestellt, dass die Anforderungen an die Qualifikation im Laufe der Jahre gestiegen sind und wir können die Operator gezielt in ihrer täglichen Arbeit entlasten. Eine KI, die dem Operator beim Auftritt eines Fehlers beispielsweise sagt, was die Ursache dafür ist und wie man ihn beheben kann. Oder die zeigt, dass der Energieverbrauch im Betrieb gerade nicht optimal ist und Vorschläge macht, wie man das verbessern kann. Dafür muss man bestimmte Fehlertypen erfassen und Abhilfemaßnahmen hinterlegen, die dann am System aufgerufen werden können. Diese Operator-Unterstützung wird zunehmend wichtiger. Wir streben danach, Systeme zur Verfügung zu stellen, die vom Handling her sehr komfortabel und sehr unterstützend sind. Dazu brauchen wir den Einsatz von KI.

Ein Schritt in Richtung “mannlose Maschine”? 
Unbedingt. Unser Fast Dimension Change (FDC) System ermöglicht es beispielsweise, mit Hilfe der Steuerung und der dort eingebauten Komponenten die Dimension eines Rohres während laufender Fahrt zu verstellen. Im Prinzip gibt es eingespeicherte Rezepte. Man drückt auf einen Knopf und die Anlage verändert die Wandstärke, verändert den Rohrdurchmesser. Das läuft, ohne dass dort jemand händisch eingreifen muss. Es braucht nur eine Person, die die Veränderung an der Steuerung vornimmt. Den Rest übernimmt die Maschine. Ähnliches gibt es bei einfachen Tätigkeiten in der Fertigung. Ob es jemals zu einer vollautomatischen Linie kommen wird, kann ich nicht sagen. Es wird sicherlich immer einen Supervisor geben müssen. Aber es werden viele andere Arbeiten automatisiert werden.

Ist die Kreislaufwirtschaft angesichts wirtschaftlicher Probleme in den Hintergrund gerückt?
Als die Kreislaufwirtschaft vor ein paar Jahren in aller Munde war, hätte man am liebsten alles zu 100 Prozent aus recycelten Materialien hergestellt. Damals hat man den Kostenaspekt oft zu wenig berücksichtigt. Das ist heute anders. Nach wie vor ist es so:  Wenn man Post-Consumer-Material einsetzt, kostet das in der Regel mehr als der Einsatz von Neuware. Hier muss man sich fragen, wer die Mehrkosten am Ende bezahlen soll. Im Recycling gibt es schon sehr gute Lösungen. Bei PET-Flaschen ist der Kreislauf in Deutschland so gut wie geschlossen. Ich würde mir wünschen, dass man noch für zwei oder drei weitere Massenkunststoffe ein ähnlich gutes System etabliert. In manchen Dingen ist man allerdings über das Ziel hinausgeschlossen. Es ist wichtig, zu einem vernünftigen Verständnis zu kommen: Was macht wirklich Sinn und wo macht Wiederverwertung keinen Sinn? Beschichtetes Papier als Verpackung wurde in einigen Bereichen zuletzt stark promotet. Das Papier, welches hierbei zum Einsatz kommt, ist extrem hoch verarbeitet und der Verbund ist nahezu nicht zu recyceln.

Taugt die Kreislaufwirtschaft als Exportschlager?
Zumindest nicht überall. Es ist einfach eine Kostenfrage. Wenn es bei uns schon schwierig ist, die höheren Kosten des Recyclings auf die Produkte umzulegen, wie soll das erst in Entwicklungsländern möglich sein? Dort gibt es andere Prioritäten. Da geht es darum, dass alle Menschen an Nahrungsmittel kommen, dass Nahrungsmittel durch den Transport nicht verderben. Einen kompletten Kreislauf für Post-Consumer-Kunststoffe wird es dort deshalb wohl auf absehbare Zeit nicht geben. Aber einzelne Aspekte der Kreislaufwirtschaft wird man schon angehen können. Sammelsysteme zum Beispiel. Selbst die kontrollierte Verbrennung des Abfalls inklusive einer Energiegewinnung wäre dann eine vergleichsweise geringere Belastung und würde zumindest nicht zur Verstärkung des Müllproblems in den Meeren beitragen.

Was erwarten Sie von der kommenden K?
Ich glaube, dass die K sehr gut besucht werden wird. Unsere Branche hatte zuletzt schwierige Jahre, aber wir dürfen nicht vergessen, dass 2021 und 2022 sehr gute Jahre waren. Bis zum Oktober erwarte ich mehr Klarheit über die künftige Tarifierung mit den USA. Denn die Unsicherheit, wie es weitergeht, ist schlimmer als Zölle. Sie bremst Investitionen. Ich denke, wenn die Verunsicherung zurückgegangen ist, werden Besucher auch wieder Neues sehen wollen, Innovationen, in die man investieren will. Thematisch rechne ich damit, dass neben der Digitalisierung allgemein, Themen wie die Operatorunterstützung über die Steuerung ein Fokus sein werden. Und natürlich der effiziente Einsatz der Ressourcen.