Interview auf dem Weg zur K 2025 mit Dietmar Dieing, Vice President Sales Plast bei der Sesotec GmbH
Herr Dieing, wie lässt sich Planungssicherheit in die Kreislaufwirtschaft bringen?
Planungssicherheit ist für das Gelingen der Kreislaufwirtschaft von erheblicher Bedeutung. Sie entsteht nur, wenn man verlässliche Stoffströme produziert, standardisierte Rezyklat-Qualität bekommt und stabile gesetzliche Rahmenbedingungen hat. Drei Voraussetzungen, die wir heute noch nicht haben. Es fehlt dabei an Vielem. Wir haben noch nicht die transparenten Daten der Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette, eine Art Materialpass. Wir haben auch noch nicht die dazu nötigen Partnerschaften zwischen den Produzenten, den Recyclern, den Maschinenbauern. Und wir haben noch nicht die Anreize der Politik und die detaillierten Vorgaben. Erst, wenn es das alles gibt, können wir auf unseren Sortiermaschinen so sortieren, dass ein Abfallprodukt später wieder seinem Ursprungsprodukt entsprechen kann.
Welche der genannten Voraussetzungen ist denn am schwierigsten umzusetzen?
Das Schwierigste sind wohl die politischen Leitlinien und Anreizsysteme für Europa. Sie müssen sicherstellen, dass alle zu den gleichen Bedingungen arbeiten. Bislang ist das nur Stückwerk. Ein Beispiel: Wir haben die Vorgabe der EU-Kommission, dass ab 2030 mindestens 30 Prozent Rezyklate aus Post-Consumer-Waste in neuen Produkten eingesetzt werden müssen.
Diese Quoten können zur Zeit noch gar nicht erfüllt werden, weil man gar nicht genau weiß, welche Rezyklat-Qualitäten man in welcher Menge am Markt bekommen kann. Wichtig wäre deshalb eine Vorschrift, dass alle Produkte so hergestellt werden müssen, dass sie recycelbar sind.
Also ein Design for Recycling?
Genau das. Heute gibt es in vielen Anwendungen noch Verbundmaterialien, die sich nicht sinnvoll in ein Rezyklat verwandeln lassen. Oder man denke im Verpackungsbereich an die Multi-Layer-Folien. Sie bestehen aus mehreren unterschiedlichen Kunststoffen und sind nicht so zu recyceln, dass anschließend wieder hochwertige Folien daraus entstehen können. Mono-Layer-Folien kann man dagegen sehr gut recyceln, weil man nun ein Polymer hat. Der Stoffstrom, der dann entsteht, fängt an recyclingfähig zu sein. Ziel muss es sein, dass wir einen möglichst einfachen Stoffstrom bekommen, wo wir sagen können, dass alles, was aus diesem Material gemacht wird, auch zu hundert Prozent recycelbar ist. Man muss das Design for Recycling vorschreiben. Wenn man keine konkreten Vorgaben macht, wird das Ganze nicht funktionieren.
Bis wann rechnen Sie denn mit diesen Vorgaben?
Ich bin mir sehr sicher, dass wir da noch einen langen Weg vor uns haben. Auf kurze Sicht wird sich wohl nichts ändern. Schon allein wegen der wirtschaftlichen Lage, mit der wir heute konfrontiert sind und mit dem ausländischen Wettbewerb, auch im Maschinenbau. Die technologischen Möglichkeiten sind vorhanden, aber sie sind teuer. Viele Abnehmer sind einfach nicht bereit, Mehrkosten zu übernehmen. Am Ende siegt immer der Preis.
Welchen Nutzen bringt künstliche Intelligenz im Kunststoffrecycling?
Da sehe ich einen sehr großen Nutzen. Wir müssen im Kunststoffrecycling große Datenmengen extrem schnell verarbeiten, um Prozesse zu optimieren. Da ist die KI genau richtig. In der Zukunft wird es immer mehr spezielle Anwendungen für die KI geben. Heute können wir mit Kameras und Sensoren auf unseren Förderbändern in einem Post-Consumer-Waste-Strom erkennen, von welchem Hersteller eine Verpackung ist und aus welchem Material sie besteht. Mit der KI können wir in Zukunft mehr oder weniger sortieren, wie wir wollen. Wir können zum Beispiel bei einem Laptop, der über das Förderband läuft, Daten darüber aus dem Internet ziehen: Welcher Prozessor ist da drin, welche Bauteile, wie viele seltene Erden? Das wird uns für die Zukunft extreme Vorteile bieten, weil wir schon im ersten Stoffstrom werthaltig sortieren können. KI macht die Stoffströme auch sicherer. Heute erleben wir, dass viele Anlagen im Recyclingbereich anfangen zu brennen, weil Lizium-Ionen-Batterien mit durch den Schredder laufen. Das wird mit dem Einsatz von KI nicht mehr passieren.
Was ist bei Sesotec denn heute schon möglich?
Wir setzen KI heute schon auf unseren Maschinen ein, um Bilder, also Produkte, einzulernen. Diese Produkte werden dann automatisch von jedem Sorter von uns auf der ganzen Welt erkannt. Wir setzen KI aber auch schon in der Sensorik ein und können daher mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit bestimmen, ob es sich bei einem Produkt um Polyethylen, Polypropylen oder Polystyrol handelt.
Wie wird sich der Kunststoffmaschinenbau in Zukunft behaupten?
Die Maschinenbauer werden sich gut behaupten. Die Innovationskraft ist in Europa nach wie vor sehr hoch. Man denke nur, wie gut die neuen Maschinen schon Recyclingmaterialien verarbeiten können. Wenn wir die Recyclingfähigkeit konsequent mitdenken, können wir auch in Zukunft im Wettbewerb die Nase vorn haben, speziell auch gegenüber den Wettbewerbern in China. Allerdings haben die Chinesen inzwischen gelernt, auch gute Maschinen zu bauen. Wir müssen uns daher auf ein neues Wettbewerbsverhalten aus Asien einstellen. Grundsätzlich bin ich für unsere Zukunft aber sehr optimistisch.