Unsere Kaffeebecher zersetzen sich in der Erde

Interview mit Bernd Niemann, Geschäftsführer FM Kunststofftechnik GmbH, und Korbinian Kiesl, President Billion SAS

• Kompostierung von Biopolymeren ist im Erdreich möglich
• Kreislaufwirtschaft hat heute andere Treiber
• Schlechtes Image erschwert die Rekrutierung von Fachkräften

Herr Niemann, Ihr Unternehmen produziert langlebige Kunststoffteile für die Industrie. Jetzt stellen Sie aber auch einen Mehrweg-Kaffeebecher aus Kunststoff her, der vollständig kompostierbar ist. Warum machen Sie das?

Bernd Niemann: Wir sehen angesichts des zunehmenden Problems des Kunststoffabfalls eine moralische Verpflichtung, etwas Gutes zu tun. Zugleich wollen wir damit zeigen, dass wir bei der Verarbeitung von Biopolymeren weit vorne sind. Unser Ziel ist es, für unsere Schwesterfirma, die das Material herstellt, zusätzliche Argumente zu liefern und dadurch auch unsere Marktposition abzusichern. Wir können mit dem Kaffeebecher zeigen, dass wir innovativ sind.

Was ist das für ein Material, das sie verarbeiten?

Niemann: Für den Kaffeebecher verwenden wir ein Material mit dem Namen Golden Compound Green. Es ist ein Biopolyester, der mit bis zu 40 Prozent Sonnenblumenschalen angereichert wird. Diese Schalen sind ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Sonnenblumenöl. Sie ermöglichen erstens eine Einsparung des Bio-Kunststoffes und zweitens erhöhen sie die Stabilität des Produkts. Die Kaffeebecher sind sogar spülmaschinenfest. Der größere Vorteil ist aber, dass sich die Kaffeebecher im Erdreich zersetzen und nicht, wie etwa PLA, auf eine Temperatur von 60 Grad gebracht werden müssen.

Kann man diesen Materialmix auch recyceln?

Niemann: Ja, man muss es nicht kompostieren. Das Recyceln geht aber nur, wenn man sortenrein sammelt. Das ist im Moment noch ein Problem, denn es gibt das Material nicht in so großen Mengen, dass sich Sammelsysteme lohnen würden. Aber grundsätzlich kann man das Material genauso wie ein glasfaserverstärktes Polyamid einmahlen und wiedereinsetzen.

Herr Kiesl, Billion hat die Maschine für die Herstellung der Kaffeebecher geliefert. Welche besonderen Anforderungen muss sie erfüllen?

Korbinian Kiesl: Im Verfahrensteil muss die Schnecke besonders ausgelegt sein. Dann muss man den Verschleißschutz an das Material anpassen. Besonders wichtig ist auch die intelligente Steuerung der Maschine. Wenn der Kaffeebecher zusätzlich noch mit einer glatten Außenhaut hergestellt wird, um etwa die Optik zu verbessern, kommt unsere Mehrkomponententechnologie zum Tragen. Darin haben wir eine lange Erfahrung. Das gleiche können wir anwenden bei Mülleimern, Stoßfängern und vielen anderen Produkten. Für uns ist der spezielle Kundenansatz der Treiber unseres Geschäfts.

Die EU setzt auf die Kreislaufwirtschaft bei Kunststoffen. Wird sie sich durchsetzen?

Kiesl: Die Kreislaufwirtschaft ist an sich nichts Neues in der Kunststoffwelt. Schon im Jahr 2000 wurde über biologisch abbaubare Stoffe diskutiert. Wir haben 2005 schon eine Maschine für die Herstellung von Kunststoffeimern geliefert, bei denen die Außenhaut aus jungfräulichem Polypropylen bestand und die Innenhaut aus recyceltem Material von Farbeimern, die dieser Hersteller zurückgenommen hat. Das gibt es also schon. Verändert hat sich nur der Treiber. Damals waren es Kostengründe, heute ist es der Verbraucher, die öffentliche Meinung.

Die öffentliche Meinung hat ein sehr schlechtes Bild von Kunststoffen, besonders in Deutschland. Wie ist das in Frankreich, wo Billion zuhause ist?

Kiesl: Da sehe ich keinen großen Unterschied zu Deutschland. Die Auswirkungen des Plastic-Bashing sind auch bei uns im Markt spürbar. Wir sind zwar kein Kunststoffhersteller, aber wir sind Teil der Kunststoffindustrie, deshalb kann uns das schlechte Image nicht egal sein. Wir merken das noch
nicht im eigenen Haus, aber grundsätzlich ist das schlechte Image für uns problematisch.

Schadet das schlechte Image Ihrem Betrieb, Herr Niemann?

Niemann: Wenn eine ganze Branche unter den Generalverdacht gerät, die Umwelt zu zerstören, strahlt das natürlich ab. Wir spüren das zum Beispiel bei der Rekrutierung von Fachpersonal. Ein Betriebselektriker oder Mechatroniker oder ein Schüler, der eine Ausbildungsstelle sucht, unterscheidet nicht zwischen dauerhaften Kunststoffteilen und Kunststoffverpackung. Viele sind der Meinung, Kunststoff sei per se schlecht. Unsere Mitarbeiter wissen, dass wir nachhaltig wirtschaften, dass bei uns die Reste aus der Produktion wiederverwertet werden und auch unsere Bauteile. Sie sind alle mit einer Materialkennzeichnung ausgestattet, damit sie gut recycelt werden können. Unsere Leute wissen das, aber außerhalb unseres Betriebs ist die Wahrnehmung eine andere. Wir haben in unserem Landkreis eine Arbeitslosenquote von gerade einmal 3 bis 4 Prozent. Da ist es sowieso schon schwierig, Mitarbeiter zu finden. Wenn man dann auch noch gegen ein schlechtes Image ankämpfen muss, muss man sehen, dass man sich abgrenzt. Dabei hilft uns auch der Kaffeebecher beziehungsweise der breite Einsatz von Biopolymeren an sich.

Kann die Kreislaufwirtschaft wirtschaftlichen Schwung bringen?

Kiesl: Ja. Es funktioniert ungefähr so: Man realisiert, dass man mit dem Auto nicht mehr in die Stadt fahren kann, weil es zu viel Verkehr gibt und man beginnt, sich mit dem Fahrrad zu beschäftigen. Dann stellt man fest, dass man mit dem Fahrrad gut vorankommt und das Sitzen im Stau vermeiden kann. Das Fahrradfahren ist also eine gute Lösung. Man muss aber die erste Mühe auf sich nehmen und radeln. Genauso müssen wir technologische Lösungen für die Kreislaufwirtschaft hervorbringen. Dann ist sie auch eine gute Chance für künftiges Geschäft.

Niemann: Das sehe ich ähnlich. Man muss innovativ sein, man muss anfangen und dann zeigen, dass es funktioniert. Wir bei FM Kunststofftechnik sind mit der Verarbeitung von Biopolymeren bei uns in der Region schon weit vorne. Das spricht viele an.

Quelle: VDMA