Zusammenarbeit von Rühl Puromer und Covestro beim DirectCoating
- Selbstheilende Lackoberflächen
- Gute Haftung zwischen Polycarbonat und PU-RIM-Lack auch während Alterung
- Neue Methoden zur Simulation von Lackfüllung und Bauteilverzug
Das DirectCoating (DC) mit Polyurethan(PU)-Beschichtungssystemen ist ein neues Verfahren, um funktional hochintegrierte und edel dekorierte Kunststoffteile wirtschaftlich und nachhaltig zu fertigen. Die Rühl Puromer GmbH und Covestro haben gemeinsam die Großserientauglichkeit der Technologie erweitert.
„Wir wollen das Verfahren für den breiten Einsatz in Anwendungen der Elektromobilität und des autonomen Fahrens erschließen und es etwa zur Herstellung von großflächigen Dekorteilen mit mehrfunktionalen, fugenlos integrierten Anzeige-, Bedien- und Ambientelichtelementen für den Autoinnenraum nutzen”, erklärt Dr. Olaf Zöllner, bei Covestro Leiter der Anwendungsentwicklung Europa im Geschäftsbereich Engineering Plastics.
„Wir sehen auch gute Chancen bei hochintegrierten Pkw-Exteriorteilen wie Spoilern, Radarabdeckungen, Frontblenden und Säulenverkleidungen mit Touchpanel für den Fahrzeugzutritt. In der Medizin-, Kommunikations- und IT-Technik besteht ebenfalls großes Potenzial”, ergänzt Dr. Ingo Kleba, Geschäftsführer bei Rühl Puromer.
Fast unbegrenzte Designfreiheiten
Das DC-Verfahren vereint zwei etablierte Technologien in einem Prozess: den Spritzguss von Thermoplasten und das Reaction Injection Molding (RIM) von PU-Systemen. Zuerst wird in einer Werkzeugkavität ein thermoplastischer Träger hergestellt und anschließend in eine zweite Kavität überführt, die um die Lackschichtdicke vergrößert ist. Dort wird dann das PU-System auf den Träger injiziert.
Die PU-Beschichtungen bieten ungewöhnlich große Freiheiten im Design. Die Bauteiloberfläche lässt sich transparent, transluzent oder durchgefärbt einstellen, mit hohen Beständigkeiten gegen chemische Medien wie fetthaltige Hautcremes ausstatten oder mit lederartigen Softtouch-Haptiken versehen. Filigrane Oberflächenstrukturen sind präzise abformbar. Hochglanzbereiche können direkt an matte Strukturen angrenzen. Darüber hinaus muss nicht in separate Lackieranlagen investiert werden. Im Vergleich zum Sprühlackieren treten keine Lackverluste durch Overspray auf, und der Ausschuss durch Lackierfehler ist geringer.
Kratzer, die von selbst verschwinden
Covestro hat für das DC-Verfahren spezielle PC- und PC-Blend-Compounds der Marken Makrolon®, Bayblend® und Makroblend® sowie für PU-Lacke einen umfangreichen Baukasten an Lackrohstoffen ohne Lösemittelzusatz – wie spezielle Isocyanatvernetzer Desmodur® und Polyole Desmophen® – aufgebaut.
Rühl bietet für das DC-Verfahren unter anderem die licht- und farbstabilen 2K-PU-Beschichtungssysteme puroclear® an. Ihre RIM-Zykluszeiten entsprechen meist mindestens denen des Spritzgießens. Die Systeme enthalten eine vielfach serienerprobte „innere Trennfunktion”. Das Werkzeug muss daher nicht mit Trennmittel eingesprüht werden. Dies trägt zu kurzen Zykluszeiten und einem einfachen Prozess bei.
Zudem wurde die Produktreihe um selbstheilende Varianten ergänzt (Reflow-Effekt). Ingo Kleba: „Oberflächliche Kratzer im Lack, die etwa durch Fahrzeugschlüssel oder Steinschlag schnell entstehen, verschwinden mit der Zeit von selbst. Die Bauteile behalten länger Optik, Wertigkeit und Funktion, was ein Höchstmaß an Alltagstauglichkeit bedeutet.”
Fester Verbund auch nach hydrolytischer Alterung
Makrolon® und transparente puroclear® Typen haften an sich schon fest aneinander. Verbesserungsbedarf gab es noch bei der Haftfestigkeit bei Alterung. Die Entwicklungspartner haben daher mehrere Materialkombinationen optimiert und deren Haftfestigkeiten im POSI-Abzugstest (ISO 4624) beurteilt. „Wir können nun Materialsysteme anbieten, die auch nach längerer Alterung in feucht-heißer Umgebung OEM-Haftungsspezifikationen erfüllen”, so Zöllner.
Makellose, luftblasenfreie Oberflächen
Die präzise Simulation des PU-Füllvorgangs und des Verzugs sind für die optimale Performance eines DC-Bauteils essentiell. Covestro hat hierfür passende Tools entwickelt. „Mit einer neuen Berechnungsmethode auf Basis einer Zwei-Phasen-CFD-Simulation (Computational Fluid Dynamics) ist nun präzise ermittelbar, wo sich bei der Füllung Luftblasen bilden und ob sie im Bauteil bleiben oder die Werkzeugentlüftung erreichen. Dies war mit bisherigen Methoden nicht möglich”, erläutert Christoph Bontenackels, bei Covestro verantwortlich für die Berechnung von DC-Bauteilen. Für die Simulation des Bauteilverzugs steht ebenfalls ein neues Berechnungstool bereit. Mit ihm lässt sich für 3D-Strukturen mit größeren Wanddickensprüngen das optimale Schichtdickenverhältnis finden, bei dem Verzug und Zykluszeiten minimal sind.
Ausblick – Integration von Folien
Die Entwicklungspartner wollen das Anwendungsspektrum des DC-Verfahrens noch weiter ausdehnen. Ein Ansatz ist, Folien in den Prozess zu integrieren, um die Möglichkeiten zur Funktionsintegration zu erweitern. So sind Folien rückseitig mit Leiterbahnen und Schaltbildern bedruckbar, was Voraussetzung ist, um etwa Bedienpanels mit hinterleuchteten, induktiven Tastenfunktionen auszustatten.