Reibungsarme Dichtungen sorgen dafür, dass Motoren und Maschinen energieeffizienter arbeiten und tragen so zum Klimaschutz bei. Als Hersteller solcher Dichtungen will Freudenberg Sealing Technologies seiner Verantwortung gerecht werden und erarbeitet nun eine Methode, mit der der CO2-Fußabdruck aus der Produktion von Dichtungen und anderen Bauteilen bestimmt werden kann.
Wieviel Gramm CO2 stecken in einem Dichtungsring? Und wie kann die Treibhausgasbilanz aus der Produktion eines Bauteils bereits in der Konstruktionsphase minimiert werden? Diese Fragen seriös beantworten wollen Dr. Meike Rinnbauer und Volker Schroiff bei Freudenberg Sealing Technologies. Seit zwei Jahren arbeiten sie mit einem Team an einem Projekt, das es erlauben soll, den CO2-Fußabdruck der Freudenberg-Produkte genau zu bestimmen. Eine grundsätzliche Erkenntnis entstand bereits am Anfang des Projekts: „Es sind zwei Faktoren, die die Emissionsbilanz eines Bauteils wesentlich beeinflussen“, erläutert Rinnbauer. Der erste Faktor besteht in der Auswahl des Materials, aus dem die Dichtung gefertigt wird, der zweite im Herstellprozess der Dichtung. Der Einfluss des Transports hingegen ist, das zeigten Analysen zu Beginn des Projekts, um Größenordnungen geringer und daher in der aktuellen Bewertung zu vernachlässigen.
Um die Treibhausgas-Bilanz von Werkstoffen zu erstellen, hat Freudenberg Sealing Technologies einen eigenen „Green Index“ entwickelt. Der Hintergrund: Neben den klimarelevanten Emissionen sollen auch andere Umwelteigenschaften chemischer Stoffe berücksichtigt werden, um intern Materialien und Prozesse vergleichen und bewerten zu können. „So versuchen wir, giftige Vorprodukte so weit als möglich zu vermeiden, um die Arbeitssicherheit unserer Mitarbeitenden zu gewährleisten und auch andere Umwelteinflüsse zu berücksichtigen“, sagt Rinnbauer. Da moderne Dichtungen oft aus Materialmischungen bestehen, werden alle Einzelkomponenten berücksichtigt, um keine Fehlanreize für die Auswahl bestimmter Materialien zu setzen.
Um das Treibhausgaspotenzial (Global warming potential, GWP) einzelner Materialkomponenten zu bestimmen, nutzt Freudenberg Sealing Technologies eine Expertendatenbank, die der ISO-Norm 14044 für Ökobilanzen gerecht wird. Dabei werden mittlere, standort-unabhängige GWP-Werte für jeden einzelnen Stoff genutzt, also unabhängig von der konkreten Herkunft. Perspektivisch ist aber zu erwarten, dass hersteller- und bei der Materialauswahl auch Lebensdauer und Verschleißbeständigkeit, die die Ökobilanz unserer Kunden beeinflussen.“
Gemessen statt geschätzt
Klar ist auch: Die Energie, die für die Herstellung von Dichtungen aufgebracht wird, führt zu CO2-Emissionen, sofern die Energieversorgung der Produktionswerke nicht bereits vollständig auf Treibhausgas-neutrale Quellen umgestellt wurde. „Die große Herausforderung besteht darin, die CO2-Emissionen, die durch den Energiebezug oder auch Eigenerzeugung an einem Produktionsstandort anfallen, korrekt auf einzelne Materialchargen oder Produkte umzulegen“, erklärt Schroiff. Eine Voraussetzung dafür ist durch Messungen abgesichertes Wissen darüber, wieviel Energie in einzelnen Prozessschritten spezifisch, also auf das Gewicht, das Volumen oder die Oberfläche bezogen, tatsächlich verbraucht wird. Anhand von Kernprozessen des Unternehmens untersuchte ein Team am Stammsitz in Weinheim den spezifischen Energieverbrauch sowie weitere umweltrelevante Parameter wie die Menge an technischen Abfällen, auch „Engineered Waste“ genannt, die aus teilweise oder ganz verarbeitetem Material bestehen. Solche Abfälle entstehen beispielsweise, weil Produkte durch Feinbearbeitung erst im Lauf des Produktionsprozesses ihre endgültige Form erhalten. Die vier untersuchten Kernprozesse umfassen das Mischen des Materials, die Formgebung einschließlich der Vulkanisation, die Beschichtung sowie das Nachheizen. Auf das Materialgewicht bezogen erwies sich das Mischen in etwa so energieintensiv wie Formgebung und Vulkanisation. „Besonders überrascht hat uns aber, dass das Nachheizen fast so viel Energie verbraucht wie Formgebung und Vulkanisation“, sagt Schroiff.
Musterprodukte
Abschließend übertrug das Freudenberg-Team die Ergebnisse auf zwei Musterprodukte, einen Simmerring® aus Fluorkautschuk (FKM), wie er in Automobilindustrie und im allgemeinen Maschinenbau verwendet wird, sowie ein Gehäuseteil aus Polyamid 6.6, das mit einer Funktionsbeschichtung für elektromagnetische Abschirmung versehen ist. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede: Bei dem Simmerring® verursachen Formgebung und Vulkanisation rund die Hälfte des gesamten fertigungsbedingten Energieaufwands. Die CO2-Emissionen können insgesamt um ein Drittel verringert werden, wenn ein optimiertes Formgebungsverfahren verwendet wird, das ohne Nachbearbeitung auskommt. Bei dem Gehäuseteil hat die Herstellung des Kunststoff-Materials einen deutlich höheren Anteil von rund 40 Prozent am Energieaufwand, rund ein Zehntel entfällt auf die Beschichtung. Auch in der Herstellung von Polyamid-Bauteilen entfällt ein wesentlicher Anteil der Gesamtemission auf das Material und eventuell die technischen Abfälle.
Auch wenn für eine Übertragung der Methodik noch viele Materialien und Prozesse detaillierter untersucht werden müssen, zeigt sich eine klare Tendenz: „In der Abfallvermeidung während der Produktion liegt der größte Hebel, um Bauteile klimafreundlicher herzustellen, solange wir zumindest noch fossile Energie nutzen“, erläutert Schroiff. Bereits heute setzt Freudenberg Sealing Technologies daher konsequent auf abfallvermeidende Produktionstechnik. Allein durch den Einsatz des Kaltkanal-Spritzgusses mit Nadelverschluss spart das Unternehmen bereits jährlich rund 70 Tonnen Abfall und emittiert 600 Tonnen weniger CO2.