Per KI gestörte Lieferketten in den Griff bekommen

Tauschplattform für die Autoindustrie: Per KI gestörte Lieferketten in den Griff bekommen

Gestörte Lieferketten sind zu einem Symbol für unsere Zeit geworden: Nachwirkungen der Pandemie, geopolitische Krisen und Handelsbarrieren bringen globalisierte Warenströme ins Stocken und stören massiv Produktionsprozesse etwa im Automobilbau. Dass Unternehmen diesem Problem nicht hilflos ausgeliefert sind, zeigt eine neue Lösung der deutschen KI-Spezialisten von One Data. Deren Plattform „Wavetrade“ bietet die Möglichkeit des An- und Verkaufs sowie Tauschs von „kritischen Komponenten“ wie Halbleitern und Chips. Erste Unternehmen nutzen die Lösung bereits, darunter der Zulieferer HARMAN Automotive. Dass dieser Ansatz ankommt, zeigen schon die ersten Wochen seit dem Start der Plattform im Dezember 2022: Die ersten Matches und Trades haben bereits erfolgreich stattgefunden. Die Lösung nutzt Datenanalysen sowie KI und trägt auch einen starken Nachhaltigkeitsgedanken in sich.

Jahrzehntelang schienen die Lieferketten im Automobilbau stabil zu sein: Für die Produktion unserer Autos gibt es ein komplexes Netzwerk aus Hunderten von Zulieferunternehmen, die im Zusammenspiel für das Endprodukt im Handel sorgen. Dann kam die Pandemie und eine dazugehörige „Chipkrise“ sorgte für massive Probleme: Einzelne Halbleiter wurden zu wenig produziert oder ließen sich aufgrund einer gestörten Container-Schifffahrt nur verzögert transportieren. Folglich waren die Chips auch für den Automobilbau schwer zu beschaffen. Nun ist die Chipkrise teilweise überstanden – die Lieferketten bleiben aber dauerhaft fragil: Geplante Handelsbeschränkungen in diesem Themenfeld deuten aktuell bereits neue Probleme an.

Ungleiche Verteilung abbauen
Für viele Unternehmen stellt sich die Frage, ob sie dieser Entwicklung hilflos ausgeliefert sind. „Keineswegs“, sagt dazu Dr. Stefan Roskos, Geschäftsführer beim Passauer KI-Spezialisten One Data. „Letztlich könnte man sagen, dass viele Lieferstörungen sehr viel mit mangelhafter Information zu tun haben – man weiß einfach nicht genau, ob die benötigten Chips noch irgendwo im Markt vorhanden sind. Das ist auch deshalb ein Problem, weil der Teilemangel nicht nur mit Produktionskapazitäten zu tun hat. Oftmals sind die Chips nur ungleich verteilt: Manche Unternehmen haben für den Moment zu viele auf Lager, andere zu wenig. Diese Grundsituation lässt sich aber auf Datenbasis und mit Künstlicher Intelligenz auflösen – wir stellen dazu einen hochwirksamen
Informationskanal und virtuellen Handels- und Tauschplatz zur Verfügung. Das ist die Ausgangsidee für unsere Plattform, die wir entwickelt haben“, erklärt Roskos.

Erste Unternehmen nutzen die Lösung bereits erfolgreich, darunter der Zulieferer HARMAN Automotive. Dabei stellt HARMAN ein idealer Partner für diese Aufgabe dar: Der global agierende Konzern ist ein führender Zulieferer für vernetzte Infotainmentsysteme im Auto, was bedeutet, er arbeitet mit großen Stückzahlen in einem High-Tech-Themenfeld. Zudem muss die Zulieferung schnell und zuverlässig entlang der geforderten Zeitfenster erfolgen und die Chips müssen höchsten Qualitätsanforderungen genügen. Dass in Zeiten von gestörten Lieferketten die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen hierbei eine Lösung darstellt, ist keine neue Erkenntnis für HARMAN: Zum einen verfügt das Unternehmen über Task Forces, die sich beispielsweise mit Halbleiter-Herstellern über mehr Lieferkapazitäten intensiv austauschen. Zum anderen gibt es sogar CEO-Calls zwischen den Marktteilnehmern. Hierbei spricht man beispielsweise über fehlende Komponenten und initiiert bilaterale Tauschgeschäfte. „Allerdings
folgt dem Ganzen ein großer manueller Aufwand“, erklärt Thomas Frei, Vice President Sales, Inventory & Operations Planning bei HARMAN Automotive. „Daher haben wir mit One Data Kontakt aufgenommen, denn es lag ja auf der Hand, dass sich ein solcher Austausch per datenbasierter Plattform-Community viel einfacher, umfassender und sicherer organisieren lässt.“

Sicherheit für alle Beteiligten
Das Grundprinzip der Lösung ist zunächst einfach erklärt: Die Verantwortlichen der Unternehmen veröffentlichen auf einer Plattform mit dem Namen „Wavetrade“, welche kritischen Teile sie in nächster Zeit benötigen oder welche sie abgeben können.
Anschließend sucht die Plattform firmen- und systemübergreifend nach Überbeständen in den Lagern an-derer Firmen, meldet etwaige „Treffer“ und initiiert den unkomplizierten Verkauf oder Tausch der erforderlichen Komponenten. Dabei veröffentlichen die Community-Mitglieder ihre Suchanfragen und Gebote zunächst anonymisiert. Erst im zweiten Schritt, wenn sich der Verkauf bzw. Tausch konkret anbahnt, wird der Kontakt hergestellt.
Schaut man in den „Maschinenraum“ der Lösung, ist das Ganze etwas komplizierter als man annehmen würde: So kommt es zum Beispiel vor, dass die Bezeichnung des gesuchten Chips (zumeist eine lange Zahlenkombination) bei einem anderen Unternehmen leicht abweicht. Vor diesem Hintergrund hat One Data ein System entwickelt, das dazugehörige Datenblätter per KI analysiert und so das Bauteil unabhängig vom individuellen Namen identifiziert. Zudem werden auch Treffer angezeigt, die nur fast zur Anfrage passen. Ob diese Alternativen tatsächlich in der Produktion zum Einsatz kommen, entscheiden dann die jeweiligen Expertinnen und Experten in den beteiligten Unternehmen.
Bleibt am Ende die Frage, warum Unternehmen überhaupt zu viele Komponenten auf Lager haben. „Einige Unternehmen haben aufgrund der Auswirkungen der Pandemie ihren Produktionsplan nicht einhalten können und somit zu viele Komponenten vorrätig“, erklärt Roskos. „Genau deshalb ist es möglich, per Wavetrade ein Zeitfenster zu bestimmen: Man legt fest, dass man die abgegebene Menge von beispielsweise 10.000 Chips zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Abnehmer zurückbekommt.“ Dass dieser Ansatz ankommt, zeigen schon die ersten Wochen seit dem Start der Plattform im Dezember 2022: Die ersten Matches und Trades haben bereits erfolgreich stattgefunden. Zudem hat das Kartellamt das gesamte System frei gegeben.

Nachhaltigkeit im Fokus
Dass diese Lösung auch die Nachhaltigkeit von Warenströmen verbessert, ist gerade in die-sem Themenfeld keine Randnotiz. Schließlich haben Halbleiter ein Verfallsdatum und können nicht endlos im Lager vorgehalten werden. Ihre etwaige Entsorgung wird also per Wavetrade vermieden. Darüber hinaus stellt die Kooperation von renommierten Unternehmen sicher, dass man sich untereinander ausnahmslos mit hochwertigen Chips aus gesi-cherten Quellen aushilft. „Insgesamt sind wir überzeugt davon, dass wir mit dieser Lösung ein wirksames Werkzeug geschaffen haben, mit dem man sich besser vor Lieferschwierigkeiten schützen kann“, fasst Roskos zusammen. „Mit jedem Unternehmen, das sich beteiligt, steigt die Wirksamkeit an. Die fertige Lösung steht allen Firmen aus dem Automotive-Bereich ab sofort zur Verfügung.“