Weckruf IRA: Europa muss seine Wettbewerbsfähigkeit steigern

Die EU will mit einer grünen Industriepolitik auf die amerikanischen Anreize für Investitionen reagieren. Der Maschinen- und Anlagenbau weist auf umfangreiche Mittel in bereits bestehenden und angekündigten Programmen hin und sieht die dringende Notwendigkeit, diese den Transformationstechnologien der Energiewende angemessen und effizient zugänglich zu machen. Der „Net Zero Industry Act“ kann dazu wichtige Impulse geben. Denn die EU muss schneller und wettbewerbsfähiger werden.

Die USA haben mit dem Inflation Reduction Act (IRA) und den darin vorgesehenen Anreizen für Investitionen den Wettbewerb um die Ansiedlung von Transformationstechnologien angeheizt. Der IRA unterstützt hierbei gezielt ganze Wertschöpfungsketten, indem sie bis 2032 über unkomplizierte Steuergutschriften finanzierbar und wirtschaftlich tragfähig werden. Europa muss dies als Weckruf verstehen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit und die Standortbedingungen in der EU umfassend zu verbessern. „Lange Genehmigungsverfahren, ein unflexibles regulatorisches Umfeld und hohe Energiepreise behindern derzeit Investitionen in Industrieprojekte in Europa. EU-Initiativen, die wirksam auf den IRA reagieren wollen, müssen diese Standortnachteile adressieren“, fordert VDMA-Präsident Karl Haeusgen.

Einen mit Gemeinschaftsschulden finanzierten Souveränitätsfonds, wie ihn Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ins Spiel gebracht hat, braucht es nicht. „Finanzmittel sind derzeit kein Engpass in der EU. Es geht jetzt darum, diese vorhandenen Mittel zielgerichtet und unbürokratisch den Transformationsbranchen in Europa zur Verfügung zu stellen“ fügte er hinzu. „Ein internationaler Subventionswettlauf muss jedoch vermieden werden.“

Der Entwurf des „Net Zero Industry Act“, mit dem die EU die Investitionsbedingungen in Europa nachhaltig verbessern will, bietet in seinem ersten Entwurf nach Ansicht des Maschinenbaus wichtige Impulse. Dazu zählen der feste Wille der Kommission, die Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen oder die Ermöglichung von sogenannten Reallaboren, in denen innovative Technologien getestet werden können.

Europäische Beihilferegeln auf den Prüfstand stellen
Für Transformationstechnologien, die für die Souveränität Europas von besonderer Bedeutung sind, ist durch den IRA oder auch die chinesische Industriepolitik die Notwendigkeit entstanden, zu reagieren. „Hier müssen die europäischen Beihilferegeln für einen angemessenen Zeitraum flexibilisiert werden“, fordert der VDMA-Präsident. Dabei geht es vor allem um Technologien, mit denen die grüne Transformation vorangetrieben wird. An vielen Stellen sind diese Technologien entscheidend für die Energieunabhängigkeit und somit die Versorgungssicherheit. Daher sollten deren Wertschöpfung und damit verknüpftes Know-how auch künftig in Europa vorhanden sein.

Insbesondere für Wasserstoff, Batterien oder Wind- und Solarkraft ist somit eine europäische Förderung vonnöten. Denn für den Ausbau dieser Technologien werden nun Entscheidungen über Standorte und Lieferketten gefällt, und hier zeigt der IRA bereits eine Sogwirkung auf Investitionen in Richtung Nordamerika. „In diesen Bereichen geht es jetzt darum, den Hochlauf, die Massenfertigung und die Vermarktung gezielt zu fördern“, sagt Haeusgen. „Zudem sollte sich die EU ein Vorbild an der Schnelligkeit nehmen, wie in den USA große Projekte geplant, genehmigt und umgesetzt werden können. Hier hat Europa einen deutlichen Rückstand im globalen Wettbewerb, der dringend einer Kurskorrektur bedarf.“

IRA bietet auch Chancen für den Maschinen- und Anlagenbau
Für den Maschinen- und Anlagenbau bietet der Inflation Reduction Act auch Chancen, das bereits sehr gute Geschäft auf dem amerikanischen Markt weiter auszubauen. Ein Teil des durch den Act erzeugten Wachstums wird zu verbesserten Exportmöglichkeiten führen, ohne dass damit irgendwelche Bedingungen verbunden sind. Dazu zählt auch die Ausrüstung neuer Fabriken und Produktionsanlagen in den USA, die von europäischen Unternehmen geliefert werden. Dies können insbesondere kleine und mittlere Firmen nutzen, die keine eigene Produktion oder Montage in den Vereinigten Staaten haben. Denn in vielen etablierten Industrien bestehen tiefgreifende Lieferketten und Netzwerke in Europa, auf die der IRA keine nennenswerten Auswirkungen haben wird. „Die amerikanische Industrie kann die Versäumnisse der vergangenen 30 Jahre nicht so schnell aufholen, als dass europäische Zulieferer mittelfristig ersetzt werden könnten“, analysiert der VDMA-Präsident. „Die Gefahr, dass der IRA zu einer Deindustrialisierung in der Breite in Deutschland oder Europa führen könnte, sehen wir daher nicht.“