„Wir müssen handeln, bevor es nicht mehr möglich ist, sinnvolle Veränderungen zu bewirken.“

Der 25-jährige Andrés Campaña stieß im Rahmen eines Forschungsprojekts zufällig auf die erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility – EPR), die ihn nicht mehr losließ. So gründete er im Oktober 2023 – noch während seines Studiums – das Unternehmen Loopl. Der studierte Umwelt- und Maschinenbauingenieur absolviert aktuell den Erasmus Mundus Master of Science „Advanced Materials: Innovative Recycling (AMIR)“ in Bordeaux und Darmstadt. Im Interview spricht der Kolumbianer über seine Begeisterung an Kunststoffverpackungen, seine Forschungsergebnisse und über die Bedeutung von Innovation und Transformation.

Herr Campaña, was begeistert Sie an Kunststoffen und Kreislaufwirtschaft – und was macht die Kunststoffbranche aus Ihrer Sicht für Nachwuchskräfte so interessant?

Mich begeistern an der Kreislaufwirtschaft die vielen unterschiedlichen Herausforderungen. Das gilt auch für Kunststoffverpackungen. Die EU hat ehrgeizige Ziele für das Recycling von Kunststoffverpackungen, mit einer angestrebten Quote von 50 % bis 2025 und 70 % bis 2030. Aktuell sind jedoch 19 der 27 EU-Mitgliedstaaten ernsthaft gefährdet, das Ziel für 2025 nicht zu erreichen.

Wir nähern uns einem kritischen Punkt, bald kann es zu spät sein, etwas zu unternehmen. Das mag zwar entmutigend erscheinen, aber mich motiviert es. Diese Dringlichkeit macht das Feld spannend und inspirierend für unsere Generation. Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist, sinnvolle Veränderungen zu bewirken.

Was hat Sie inspiriert, sich mit Verpackungen zu beschäftigen und Loopl zu gründen?

Während ich an einem Forschungsprojekt zu Life Cycle Assessment arbeitete – das nichts mit Verpackungen zu tun hatte – stieß ich auf das Konzept der EPR (Extended Producer Responsibility). Als ich mich tiefer mit dem Thema auseinandergesetzt habe, wurde mir klar, welche regulatorischen Probleme bei der Einhaltung der Vorschriften auftreten: Vertreiben Unternehmen ihre Produkte in mehreren EU-Märkten, müssen sie die Vorschriften jedes Landes einhalten – und damit unterschiedliche Verfahren, Fristen und Anforderungen. Das macht den Compliance-Prozess zu einer enormen administrativen Belastung.

Ich wollte eine Lösung für diese regulatorischen Probleme entwickeln und habe mich speziell auf Verpackungen konzentriert. Denn sie sind in unserem täglichen Leben allgegenwärtig, die meisten Produkte sind auf Verpackungen angewiesen. Mit Loopl habe ich eine Software entwickelt, die die Einhaltung der Verpackungs-EPR in der Europäischen Union automatisiert. Dadurch vereinfach Loopl Compliance-Berichte von Unternehmen und macht den Prozess zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen für Verpackungen einfach, effizient und kostengünstig.

Was bedeutet Innovation und Transformation für Sie im Kontext von Kunststoffen, Kunststoffverpackungen und einer effizienten Kreislaufwirtschaft – und auf welchen Ebenen leistet Ihr Unternehmen einen Beitrag?

Die Einhaltung der Vorschriften der Verpackungs-EPR stellt ein großes Hindernis dar. Viele Projekte und Produkte scheitern aufgrund der komplexen und hohen Anforderungen daran, neue Märkte zu erschließen oder überhaupt in den Markt einzutreten. Durch Innovation lassen sich diese Hindernisse überwinden, sodass die Einhaltung der Vorschriften und die Gesetzeskonformität jederzeit gewährleistet ist. Loopl baut diese Barrieren durch Automatisierung ab und bietet eine skalierbare Lösung, die Unternehmen in die Lage versetzt, ihre Verpackungs-EPR-Verpflichtungen effizient und rechtskonform zu erfüllen.

Vor welchen konkreten Herausforderungen stehen Unternehmen, die sich an Loopl wenden?

Die PPWR verfolgt ehrgeizige Ziele in Bezug auf Recyclingquoten für Verpackungen. Die Gesetzgebung ändert sich kontinuierlich und es ist äußerst schwierig, mit den Compliance-Vorschriften Schritt zu halten. Der Compliance-Prozess selbst ist ressourcen- und zeitintensiv und erfordert spezielles Fachwissen, um die Berichte korrekt einzureichen.
Laut Ecommerce Europe muss ein KMU, das rechtskonform den gesamten EU-Markt betreten möchte, etwa 140.000 Euro zahlen und jährlich insgesamt rund 300 Berichte einreichen. Diese Anforderungen können für Unternehmen unüberwindbar sein und sie davon abhalten, in den europäischen Markt einzutreten oder EU-Unternehmen daran hindern, in Länder innerhalb des EU-Marktes zu expandieren.

Über Andrés Campaña:

Andrés Campaña stammt aus Kolumbien, ist studierter Umwelt- und Maschinenbauingenieur und absolviert aktuell den Erasmus Mundus Master of Science „Advanced Materials: Innovative Recycling (AMIR)“ in Bordeaux und Darmstadt. Im Jahr 2020 nahm der 25-Jährige in Kolumbien remote am Online-Programm „Circle 17“ in Österreich teil, in dessen Rahmen es Nachhaltigkeitsherausforderungen für Unternehmen zu lösen galt. Campaña arbeitete daran, Materialien eines Gerätekoffers durch recycelte Materialien zu ersetzen.

Portrait Heike Vesper © Kathrin Tschirner WWF

Dafür entwickelte er im Team eine technisch funktionierende Lösung und baute eine Lieferkette auf. Das Projekt ließ sich aufgrund regulatorischer und rechtlicher Einschränkungen jedoch nicht umsetzen – und wurde gestoppt. Das Thema begeisterte ihn jedoch so sehr, dass er weiter an unternehmerischen Projekten arbeitete, bis er 2023 für sein Masterstudium nach Europa zog. Seit Oktober 2024 lebt Campaña in Deutschland.

Im Rahmen Ihres Masterprogramms beschäftigen Sie sich mit der EPR, der PPWR und der Frage, wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) dazu beitragen, Materialkreisläufe in Kunststoffverpackungen zu schließen. Welche Erkenntnisse konnten Sie bisher aus Ihrer Forschung ziehen?

Ich habe herausgefunden, dass Digitalisierung und der Einsatz von KI-Algorithmen die Effizienz des Compliance-Prozesses erheblich verbessern, nicht nur im Bereich der Verpackungen. Ein Beispiel dafür ist ihr Einsatz in der ESG (Environmental, Social and Governance)-Berichterstattung und Kohlenstoffbilanzierung. KI ermöglicht sowohl eine einfache Skalierung als auch eine Nachverfolgung der ständigen Änderungen in den Verpackungsvorschriften. Durch die Automatisierung dieser Prozesse bleiben Unternehmen mit minimalem manuellem Aufwand gesetzeskonform.

Die Einhaltung der Vorschriften führt zu einer verbesserten Materialverwaltung, was die Recyclingquoten für Verpackungsmaterialien erhöht. Zudem lassen sich Materialien besser rückverfolgen, einschließlich ihrer Menge und Eigenschaften entlang der gesamten Lieferkette. Das erleichtert die Arbeit für alle Akteure – von Herstellern bis zu Recyclern – und verbessert ihre Zusammenarbeit.