Leitthema der K 2025: „Embracing Digitalisation“

Potenzial nutzen, Herausforderungen angehen, Zukunft gestalten: Wie Digitalisierung und KI die Kunststoffbranche voranbringen

Die K 2025, weltweit führende Fachmesse der Kunststoff- und Kautschukindustrie, hat es sich zur Aufgabe gemacht, vom 8. bis 15. Oktober in Düsseldorf zentrale Herausforderungen unserer Zeit aufzugreifen und konkrete Lösungen zu präsentieren. Dies spiegeln auch ihre Leitthemen wieder. Eines davon lautet „Embracing Digitalisation“.

Die Kunststoffindustrie steht weltweit vor großen wirtschaftlichen und regulatorischen Umbrüchen. Steigender Wettbewerbsdruck, strengere Umweltauflagen und höhere Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft erhöhen den Innovationsdruck. Die fortschreitende Digitalisierung bietet hier neue Möglichkeiten, effizienter und nachhaltiger zu produzieren. Automatisierte Prozesse, datenbasierte Steuerungssysteme und intelligente Vernetzung erleichtern bereits heute in vielen Unternehmen die Anpassung an strengere Vorgaben. Einen Hinweis auf den zunehmenden Digitalisierungsgrad gibt der Digitalisierungsindex 2024 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), wonach die deutsche Wirtschaft in den letzten fünf Jahren um rund 14 Prozent digitaler geworden ist. Besonders stark gestiegen ist die Kategorie „Prozesse“, die sowohl den digitalen Reifegrad der unternehmensinternen Abläufe als auch die Vernetzung mit externen Partnern abbildet.

Künstliche Intelligenz (KI) gilt dabei als entscheidender Meilenstein. Laut einer Bitkom-Studie sehen 78 Prozent der befragten Industrieunternehmen KI als entscheidend für ihre Wettbewerbsfähigkeit an, während mehr als die Hälfte zunächst die Erfahrungen anderer abwartet. Gleichzeitig fehlen 48 Prozent die notwendigen KI-Kompetenzen und 91 Prozent fordern weniger regulatorische Hürden, um KI-Innovationen nicht auszubremsen. Diese Zahlen unterstreichen, dass zwar ein breiter Konsens über die Bedeutung der Digitalisierung besteht, viele Betriebe aber bei der praktischen Umsetzung zögern.

Digitale Schlüsseltechnologien: Vernetzung und IoT

Die digitale Steuerung und Vernetzung von Maschinen ist die Basis für neue Technologien. „Im Kunststoffmaschinenbau wird schon seit über 40 Jahren automatisiert. Jetzt gehen fast alle den Schritt weiter und setzen auf Digitalisierung“, sagt Ulrich Reifenhäuser, Vorsitzender des Ausstellerbeirats der K in Düsseldorf. Cyber-Physische Systeme (CPS) und das Internet der Dinge (IoT) ermöglichen es, Produktionsdaten lückenlos zu erfassen und in Echtzeit auszuwerten. Sensoren überwachen zum Beispiel Temperatur, Durchfluss oder Werkzeuginnendrücke und leiten die Werte an Cloud-Anwendungen weiter. Ein wichtiger Kommunikationsstandard ist dabei OPC UA, der einen sicheren und herstellerübergreifenden Datenaustausch ermöglicht.

Die steigende Datenmenge führt zu Fragen der Datennutzung. Laut der Industrieverbände hat der sogenannte ‚EU Data Act‘ hierzu mittlerweile Klarheit geschaffen. Das neue Datengesetz verpflichtet die Maschinenhersteller, die im Betrieb anfallenden Daten dem Nutzer der Maschine auf einfache und verständliche Art maschinenlesbar zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig rückt die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) in den Fokus, denn durch Echtzeitanalysen können Abweichungen frühzeitig erkannt und ungeplante Stillstände reduziert werden.

Künstliche Intelligenz und Automatisierung

KI verleiht digitalen Prozessen eine neue Dynamik, indem selbstlernende Algorithmen große Datenmengen analysieren und Prozesse flexibel optimieren. „KI und Digitalisierung sind ein Game-Changer für die Kreislaufführung von Kunststoffen. Vollautomatisierte Produktionsprozesse, digitale Produktpässe und Simulationen ermöglichen optimierte Arbeitsabläufe und helfen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, Ressourcen einzusparen“, sagt Dr. Alexander Kronimus, stellvertretender Hauptgeschäftsführer von PlasticsEurope Deutschland, in einem Brancheninterview.

Maschinelles Lernen beschleunigt darüber hinaus Entwicklungszyklen und verbessert die Prozesssteuerung. Digitale Zwillinge gehen noch einen Schritt weiter: Sie bilden reale Produktionslinien virtuell ab und liefern strukturierte Informationen über die gesamte Maschinenauslastung. Darüber hinaus bieten sie die Möglichkeit, Maschinendaten und Informationen strukturiert und maschinenlesbar über die gesamte Lebensdauer abzuspeichern. Digitale Zwillinge sollen sich auch für die Anforderungen des Digitalen Produktpasses (DPP) eignen, der mit der im Juli 2024 in Kraft getretenen Ökodesign-Verordnung der EU (ESPR) eingeführt wurde. Diese virtuellen Abbilder realer Produktionsanlagen beschleunigen Entwicklungsphasen und erleichtern Wartungsstrategien.

Optische Qualitätskontrolle & KI-gestützte Sortierung

Im Bereich der Qualitätssicherung unterstützen Kamerasysteme und KI-basierte Bildverarbeitung die Produktionsprozesse. Sie erkennen Formabweichungen, Oberflächenfehler oder Materialverunreinigungen während der Herstellung und sorgen für ein konsistentes Qualitätsniveau. Diese Technologien ermöglichen eine frühzeitige Fehlererkennung, wodurch Ausschuss reduziert und Ressourcen effizienter genutzt werden.

Im Zuge verschärfter Umweltauflagen und wachsender Kundenansprüche rückt ebenso die Kreislauffähigkeit von Kunststoffen in den Mittelpunkt. KI-gestützte Sortiersysteme mit Nahinfrarot-Sensorik (NIR) identifizieren verschiedene Kunststoffarten, trennen hochwertige Rezyklate von Verunreinigungen und verbessern die Recyclingqualität. Dies erhöht die Wiederverwertungsrate und trägt zur Umsetzung regulatorischer Vorgaben bei.

Digitale Systeme sind zudem eng mit dem DPP verknüpft, der umfassende Informationen über verwendete Rohstoffe, Produktionsprozesse und Recyclingwege liefert. Diese Technologien unterstützen Unternehmen dabei, geschlossene Materialkreisläufe zu etablieren, die Umweltbelastung zu reduzieren und die Anforderungen der ESPR zu erfüllen.

Herausforderungen und Fachkräftemangel

Trotz zahlreicher Vorreiterprojekte stockt der Fortschritt in vielen Unternehmen, vor allem im Mittelstand. „Viele kleine und mittelständische Unternehmen haben noch nicht hinreichend in die Digitalisierung investiert, da dies mit erheblichen Kosten verbunden ist und eine spezifische Kompetenz voraussetzt“, berichtet Mauritius Schmitz vom Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) gegenüber der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK). Eine weitere Hürde ist der Mangel an Fachkräften. Wer Automatisierung, KI und IoT-Technologien einführen will, braucht Spezialisten für Datenanalyse und IT-Sicherheit. Dieser Personal- und Wissensmangel bremst mitunter die Umsetzung, selbst wenn die technischen Lösungen bereits vorhanden sind. AR-Brillen (Augmented Reality) können hier Abhilfe schaffen, indem sie Wartungshinweise oder Schulungsinhalte direkt in das Sichtfeld der Mitarbeiter einblenden. So können Wartungs- und Einweisungsprozesse beschleunigt werden, ohne dass immer externe Experten vor Ort sein müssen.

Fazit & Ausblick

Die Digitalisierung erweist sich als Katalysator für eine nachhaltigere und effizientere Kunststoffindustrie. Vernetzte Produktionssysteme ermöglichen eine Optimierung in Echtzeit, wodurch Ausschussraten gesenkt und Marktschwankungen souveräner abgefedert werden können. Gleichzeitig können neue Geschäftsmodelle entwickelt werden, beispielsweise durch digitale Plattformen und Wartungsdienste. Eine große Rolle wird dabei jedoch die Finanzierung spielen. Laut dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) liegen die Innovationsaufwendungen der Kunststoffindustrie bei 2,2 Milliarden Euro, was lediglich 1,65 Prozent der Innovationsaufwendungen des gesamten Verarbeitenden Gewerbes entspricht. Gleichzeitig weist das ZEW darauf hin, dass 63 Prozent der Unternehmen der Branche Produkt- oder Prozessinnovationen durchführen, was über dem Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes von 57 Prozent liegt. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Wille zur Innovation vorhanden ist, es aber finanzieller und personeller Ressourcen bedarf, um Digitalisierungsprojekte konsequent umzusetzen.

Welch enormes Potential die Digitalisierung für die Kunststoffbranche bietet wird auf der K 2025 sowohl an den über 3.000 Ausstellerstände zu sehen sein, als auch in den verschiedenen Specials aufgezeigt, die gleichermaßen  die Herausforderungen diskutieren, allen voran die offizielle Sonderschau der K „Plastics Shape the Future“, organisiert von Plastics Europe Deutschland oder auch das VDMA Forum.