Way2K 2025: “Wir stehen in der Kreislaufwirtschaft oft noch am Anfang”

Interview auf dem Weg zur K 2025 mit Sebastian Rust, Geschäftsführer bei ENTEX

Herr Rust, welchen Vorteil bringt der Planetwalzenextruder für das Kunststoffrecycling?

Die Kunststoffe, die recycelt werden, haben alle schon einmal eine thermische Verletzung erfahren. Sie wurden massiv beansprucht. Unser System hat den Vorteil, dass wir mechanisch sehr wenig Energie in das Extrudat eintragen. Bei Doppelschnecken- und Einschneckenextrudern wird das Material hauptsächlich über den mechanischen Energieeintrag des Hauptantriebs plastifiziert. Wir dagegen schmelzen das Material im Planetwalzenextruder über thermische Energiezuführungen materialschonend auf. Wir brauchen dadurch eigentlich nie die volle Antriebsleistung des Extruders, entsprechend geringer fällt der Energieverbrauch aus. Das spart in erheblichen Maßen Kosten ein und verringert letztlich auch den CO2-Fußabdruck.

Ein weiterer Beitrag zur Nachhaltigkeit wäre das Devulkanisieren von Altreifen. Wie weit ist ENTEX hier?
Das Recyceln von Altreifen galt lange als technisch unmöglich. Altreifen, egal von welcher Fahrzeugart, werden heutzutage thermisch verwertet. Sie werden zum Beispiel in Zementwerken als Brennstoff für die Energieerzeugung eingesetzt. Wir bei ENTEX haben den Devulkanisationsprozess wesentlich mitgeprägt. Wir sind mittlerweile so weit, dass wir es schaffen, die Kohlenstoffketten durch gezielten Energieeintrag von den Schwefelketten zu trennen und damit die Vulkanisation rückgängig zu machen. Dadurch sind wir in der Lage, den Naturkautschuk zum Großteil zurückzugewinnen und dieser kann dann wieder als Rezyklat in neue Reifen und vielfältige andere Gummianwendungen eingebracht werden.

Die Zeit des Altreifenrecyclings hat also begonnen?
Die Reifenbranche ist sehr konservativ und hält gerne an etablierten und traditionellen Prozessketten fest. Bei der Reifenherstellung sind die Rezepturen oft sehr alt. Jede kleine Änderung einer Reifenrezeptur zieht immer eine Produktionsumstellung und großen Aufwand nach sich. Deshalb setzen sich Neuerungen dort nicht so leicht durch. Das wird sich aber voraussichtlich in absehbarer Zeit ändern. Denn die Politik macht Druck und schreibt vor, dass neue Produkte bald einen gewissen Anteil an Rezyklat enthalten müssen. Dadurch wird das Ganze für uns immer interessanter. Letztendlich muss man sich ja weiterentwickeln und wir hoffen daher darauf, dass sich im Zuge der Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft auch neue Technologien, wie beispielsweise die Devulkanisierung, etablieren können.

Kann ein neuer Reifen zu 100 Prozent aus Rezyklat hergestellt werden?
Es ist eine realistische Annahme, dass es in Zukunft möglich sein wird, dem Naturkautschuk 40 bis 50 Prozent des devulkanisierten Rezyklats beizufügen. Es gibt bereits eine Reihe von Studien und Versuchen hierzu. Die sehen alle sehr vielversprechend aus.

Wo stehen wir in der Kreislaufwirtschaft heute? 
Wir stehen da aus meiner Sicht in vielen Bereichen noch am Anfang. Die meisten der Kunststoffe, die heute verbraucht werden, gelten als nicht-recycelbar und werden daher immer noch auf petrochemischer Basis hergestellt. Unsere Aufgabe ist es, Wege zu finden, auch die aktuell nicht oder nur aufwändig recycelbaren Kunststoffe, wie zum Beispiel PVC, für die Kreislaufwirtschaft nutzbar zu machen.

Wird man irgendwann einmal sagen können, das Problem des Kunststoffabfalls sei erledigt, weil man den Kreislauf geschlossen hat? 
Wir sind eine sehr innovative Generation und entwickeln permanent weiter. Wir haben zum Beispiel einen Kunden, der sich intensiv damit beschäftigt, die Windflügel von Windkraftwerken zu recyceln. Die Glasfaser der Flügel gilt zwar immer noch als nicht-recycelbar, aber der Kunde hat sie wieder nutzbar gemacht und kann sie als Füllstoff für andere Produkte einsetzen. Auf jeden Fall braucht das alles noch viel Zeit, so wie in anderen Fällen auch. Von der Entwicklung der ersten Nylonfaser bis hin zur Strumpfhose sind 100 Jahre vergangen. Bis wir den Punkt erreichen, an dem wir sagen können, wir hätten das Recycling in der Kunststoffindustrie komplett im Griff, vergeht aus meiner Sicht wohl auch noch ein recht langer Zeitraum.

Wie groß ist denn das wirtschaftliche Potenzial?
Wir sind inzwischen über acht Milliarden Menschen auf der Erde. Die Weltbevölkerung steigt weiter. Da stellt sich natürlich die Frage, wohin mit den Materialien, die wir alle verbrauchen. Wenn Materialien nicht recycelbar sind, dann schaden wir uns selbst angesichts der Massen erheblich. Deshalb werden irgendwann alle nach Lösungen suchen und in die Kreislaufwirtschaft einsteigen müssen. Wir in Europa haben hier einen wirtschaftlichen Vorteil, weil wir in vielen Bereichen des Recyclings Vorreiter sind und unsere innovativen Technologien in andere Länder tragen können.