Alle Maschinen müssen dieselbe Sprache sprechen

Interview mit Thorsten Kühmann, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Kunststoff- und Gummimaschinen, auf der K 2022

Herr Kühmann, die Weltsprache der Produktion OPC UA gilt als Voraussetzung dafür, dass Maschinen herstellerübergreifend miteinander kommunizieren können. Auf der K spielt dieses Thema eine große Rolle. Was ist hier zu sehen?
Hier auf der K beteiligen sich 40 Unternehmen aus acht Ländern an einem OPC UA-Demonstrationsprojekt. Sie haben an ihren jeweiligen Hallenstandorten insgesamt 85 Maschinen dafür ausgesucht. Jede dieser Maschinen ist neben einem OPC UA-Logo mit einem QR-Code versehen. Den kann der Besucher mit seinem Smartphone scannen. Er kommt dann auf die Internetplattform UMATI und kann dort Live-Daten der jeweiligen Maschine sehen. Zur größeren Veranschaulichung haben wir im VDMA Dome ein großes Dashboard installiert, auf dem der Besucher auf jede einzelne Maschinen zusteuern kann, um zu sehen, welche definierten Daten sie liefert. Das Wichtigste ist, dass alle Maschinen dieselbe Sprache sprechen, sie nutzen alle dasselbe System. Wir stellen fest, dass das Interesse der Besucher enorm groß ist. Es gibt sehr viele Nachfragen.

OPC UA treibt also die Digitalisierung in der Produktion voran?
Ja, und zwar in zweierlei Hinsicht. Der direkte Nutzen besteht in der sehr schnellen Schaffung von Transparenz. Man weiß, welche Daten es gibt und man kann sich aussuchen, welche Daten wichtig sind. Die Transparenz ermöglicht dann eine bessere Steuerung der Prozesse. Der viel größere Nutzen liegt aber in der Möglichkeit, künftig digitale Serviceleistungen anzubieten. Dazu braucht man zwingend viele Daten aus dem Feld. Die sind im Moment noch gar nicht verfügbar, weil die ganze Infrastruktur noch nicht vorhanden ist. Hier liegt aber das größte Potenzial. OPC UA ist sozusagen die Vorbereitung darauf.

Wie weit ist man in der Umsetzung bei Kunststoff- und Gummimaschinen?
In einigen Kernmaschinenbereichen sind wir schon recht weit gekommen, etwa beim Spritzgießen oder in der Extrusion. Jetzt geht es weiter, beispielsweise zum Partikelschäumen und natürlich auch in die Peripherie. Es werden also etwa Temperiergeräte und Heißkanalgeräte miteinbezogen oder die Flüssigsilikondosierung. Das ist die horizontale Ebene: Die Maschinen, die in einer Produktionshalle nebeneinander stehen, können miteinander kommunizieren. Ein weiterer Strang ist die vertikale Vernetzung zum MES-System, das die Daten einer Fabrik zentral verarbeitet. Und jetzt ist auch der Materialfluss einbezogen. Zur K wird die neue Schnittstelle für Material Supply System vorgestellt: die OPC 40086-1. Das ist ein sogenannter Release Candidate. Das bedeutet, er ist konzeptionell fertig, kann aber noch ergänzt und angepasst werden. Wir haben somit heute schon eine solide Grundlage für OPC UA im Bereich Kunststoff- und Gummimaschinen aufgebaut.

Was sind die nächsten Schritte?
Wir wollen die Lücken schließen. Wir haben noch Maschinen, die nicht eingebunden sind. Auch muss die Internationalisierung trotz guter Fortschritte weiter vorangetrieben werden. Denn das Ganze macht erst richtig Sinn, wenn möglichst viele Länder dabei sind. Erst dann kann man wirklich herstellerübergreifend kommunizieren. Im Moment sind wir soweit, dass wir sehr viele Daten sammeln können. Als nächstes brauchen wir eine vertrauenswürdige Plattform, auf die diese Daten geliefert werden können.

Schrecken nicht viele davor zurück, eigene Produktionsdaten außer Haus zu geben?
Gerade die Verarbeiter sind bei OPC UA-Anwendungen noch sehr zurückhaltend. Sie haben Sorge, dass nicht sorgsam mit ihren Daten umgegangen wird und schlimmstenfalls sogar ihre Wettbewerber Zugang zu ihren Daten bekommen. Ein Teil des Problems liegt darin, dass solche Datenplattformen bislang nur von einzelnen Firmen oder kleinen Konsortien angeboten werden. Denen vertrauen die Anwender offenbar nicht. Deswegen steuern wir gerade in eine ganz andere Richtung. Wir versuchen, eine vertrauenswürdige, neutrale Plattform zu etablieren und beteiligen uns als VDMA daher an dem von der Bundesregierung lancierten Förderprojekt Manufacturing-X, das genau dies zum Ziel hat. Wenn der Rahmen der Plattform gesetzt ist, wenn also Fragen der Governance, der Datensicherheit oder auch der Haftung geklärt sind, kann im Prinzip jeder diese Plattform unter diesen Bedingungen nutzen. Es ist wichtig, dass wir so eine Plattform etablieren, denn sonst laufen wir Gefahr, dass große Datenanbieter das Ganze an sich ziehen. Das will aber keiner in der Industrie, weder auf Kundenseite, noch auf Maschinenbauseite.

Wenn alles einmal gut etabliert ist: inwieweit begünstigt das das Projekt Kreislaufwirtschaft?
Zunächst einmal durch die schnelle Transparenz, die es ermöglicht Maschinen und Prozesse mithilfe der erhobenen Daten besser steuern zu können. Das ist wichtig für die Kreislaufführung, weil man dadurch zum Beispiel die Energieeffizienz verbessern kann. Man kann genau erkennen, wo im gesamten System wieviel Energie verbraucht wird. Man bekommt also den Energiekreislauf damit besser in den Griff. Beim Materialkreislauf geht es darum, beispielsweise in einem verarbeitenden Unternehmen, die Rezyklatverarbeitung zu verbessern. Die ist herausfordernder als bei Neuware, weil Rezyklate teilweise inhomogener sind. Mithilfe von OPC UA und dem damit verbundenen Informationsaustausch kann man die Verarbeitungsparameter der beteiligten Maschinen und Geräte genauer und gezielter aufeinander abstimmen. Das sind wichtige Beispiele für die optimierte Kreislauführung.