Wir Europäer sollten mit gutem Beispiel vorangehen

Interview mit Dr. Christoph Steger, CSO ENGEL AUSTRIA GmbH.

Die EU geht mit Tempo daran, die Kreislaufwirtschaft zu implementieren und Recycling voranzutreiben. Anderswo in der Welt ist das nicht so. Macht es da Sinn, in Europa mit dieser Wucht voranzuschreiten?

Dr. Christoph Steger: Das macht auf jeden Fall Sinn. Wenn niemand beginnt, wird niemand folgen. Wir Europäer sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Die Unternehmen in unserer Industrie sind heute weltweit vernetzt. Das ist eine Riesenchance, von Europa aus dazu beizutragen, die Situation in anderen Regionen wie Asien zu verbessern. Zum Beispiel indem dort Sammelsysteme nach europäischem Vorbild aufgebaut werden. Als einzelnes Unternehmen haben wir ja nur begrenzt Einfluss. Genau deshalb haben wir uns auch der New Plastics Economy-Initiative der Ellen Mac Arthur Foundation angeschlossen. Auch sie vernetzt die weltweiten Akteure und verschafft unserem gemeinsamen Anliegen mehr Gehör. Es ist aber auch so, dass wir in Europa noch viel Optimierungspotenzial haben. Noch immer werden in vielen Ländern Europas Kunststoffabfälle deponiert. Das ist eine enorme Verschwendung von wertvollen Rohstoffen.

Was sehen Sie als größte Herausforderung?

Dr. Christoph Steger: Um die Kreislaufwirtschaft wirklich voranzutreiben, brauchen wir ein sortenreines Sammelsystem. Das haben wir heute noch nicht. Es reicht nicht, einfach alle Kunststoffabfälle in den Gelben Sack zu stecken. Die Vorschriften darüber, was hineingehört und was nicht, sind von Kommune zu Kommune verschieden. Da kommen Kunststoffe zusammen, die man aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften gar nicht
miteinander verwerten kann und dann ist das Resultat oft ist ein minderwertiges Produkt. Um hochwertige Produkte herzustellen, und das muss das Ziel im Sinne des Ressourcenschutzes sein, müssen gleichartige Kunststoffe verwertet werden und dazu müssen sie von vornherein getrennt gesammelt werden.

Was halten Sie von chemischem Recycling?

Dr. Christoph Steger: Chemisches Recycling steckt in den Kinderschuhen. Es gibt erste Ansätze und erste Anlagen, die in Betrieb genommen wurden. Da sind vor allem die Rohmaterialienhersteller gefragt. Aber auch dort wird man eine gewisse Vortrennung benötigen, um vernünftig chemisch recyceln zu können.

Ist die Kreislaufwirtschaft ein Innovationstreiber?

Dr. Christoph Steger: Sie ist ein starker Innovationstreiber und eine Chance für europäische Unternehmen, hier als Vorreiter auch die Technologieführerschaft weiter zu behaupten. So ist zum Beispiel Industrie 4.0 ein wichtiger Wegbereiter der Kreislaufwirtschaft. Wir werden auf der K zeigen, wie sich bei der Verarbeitung von Rezyklat mit Hilfe intelligenter Assistenz Schwankungen im Rohmaterial zuverlässig ausgleichen lassen. Diese Innovation macht es möglich, Rezyklate breiter und eben auch für höherwertige Anwendungen einzusetzen. Ein weiteres Beispiel ist der thermoplastbasierte Composite-Leichtbau, den sowohl die Automobilhersteller als auch die Flugzeugbauer verstärkt nachfragen, weil damit zukünftig auch Faserverbundbauteile recycelbar sein werden. Auch hierzu präsentieren wir auf der K eine Anwendung. In erster Linie ist die Kreislaufwirtschaft aber eine Verpflichtung, wertvolle Ressourcen zu schonen und zu verhindern, dass Kunststoffe in die Umwelt entsorgt werden. Dafür brauchen wir innovative Ideen und Lösungen, und es ist wichtig, dass alle an einem Strang ziehen. Ich setze auf das Schneeballprinzip.

Ist die K eine gute Plattform, um diesen Schneeball ins Rollen zu bringen?

Dr. Christoph Steger: Die K ist auf jeden Fall eine gute Plattform, um zu zeigen, was heute schon technisch geht und was in wenigen Jahren möglich sein wird. Am Ende des Tages darf man aber nicht vergessen, dass die K eine Fachmesse ist und die Unternehmen der Kunststoffindustrie allein einen Kreislauf nicht in Gang setzen können. Wichtig ist, dass wir unter anderem auch die Entsorger und vor allem die Konsumenten mitnehmen.

Verpackungen machen als Gruppe den größten Teil des Kunststoffmülls aus. Haben wir zu viele Verpackungen? Gibt es Alternativen?

Dr. Christoph Steger: Verpackungen dienen dazu, das Produkt so zu schützen, dass es auf dem Weg vom Hersteller über den Handel bis zum Konsumenten nicht kaputt geht. In der Praxis spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle, wie Marketing und Logistik. Zahnpastatuben sind beispielsweise in Kartons leichter zu stapeln. Die Notwendigkeit dieser Umverpackungen gilt es tatsächlich strenger zu hinterfragen. Wie es das Beispiel Zahnpasta zeigt, betrifft dies allerdings nicht nur Umverpackungen aus Kunststoff-, sondern auch zum Beispiel aus Karton. Was Alternativen, also alternative Verpackungsmaterialien, betrifft, muss genau abgewogen werden. Gerade im Lebensmittelbereich sind Kunststoffverpackungen meistens am effizientesten – in der Energie- und Materialbilanz, bei der Herstellung und beim Transport. Die Umkehr vieler Verbraucher zu Glasverpackungen derzeit bewirkt gerade das Gegenteil dessen, was eigentlich angestrebt wird.
Welche Rolle kommt der Politik bei der Durchsetzung der Kreislaufwirtschaft in Europa zu?

Dr. Christoph Steger: Der Politik kommt eine entscheidende Rolle zu. Bislang nimmt sie sie aber nicht gut wahr. Kunststoffprodukte zu verbieten, ist keine Unterstützung der Kreislaufwirtschaft. Wenn man Strohhalme aus Kunststoff verbietet, kommen welche aus Papier auf den Markt, die mit vielen chemischen Additiven versetzt sind und zudem eine schlechtere CO2-Bilanz aufweisen. Das ist ja genau das, was Kreislaufwirtschaft nicht will. Außerdem trägt die Politik mit Produktverboten zur weiteren Emotionalisierung des Kunststoffthemas bei, anstatt sich intensiver an der Aufklärung der Verbraucher zu beteiligen.

Und was wünschen Sie sich konkret?

Dr. Christoph Steger: Ganz konkret wünschen wir uns Maßnahmen, die besser auf die Situation in unserem Land zugeschnitten sind. Zu den vorrangigen Themen hier in Österreich oder auch in Deutschland gehört, dass wir die Recyclingkapazitäten aufstocken und dafür sorgen, dass Rezyklate breiter eingesetzt werden können. Dafür ist es zudem wichtig, die Vorgaben, für welche Produkte aufbereitete Kunststoffabfälle eingesetzt werden dürfen und für welche nicht, neu zu definieren. Für Lebensmittelverpackungen oder in der Medizintechnik haben Rezyklatverbote ihren Sinn, bei Mülltonnen beispielsweise aber nicht. Darüber hinaus müssen wir daran arbeiten, dass die Verbrennung von Kunststoffabfällen zur Energie- und Wärmeerzeugung ihr schlechtes Image verliert.

Quelle: VDMA