Aufblasen von Elastomerplatten: Biaxiale Materialeigenschaften für verbesserte Modellierung

Die Ergebnisse der numerischen Simulation von Elastomerkomponenten weichen oft deutlich vom realen Verhalten der Bauteile ab. Ein möglicher Grund ist, dass nur Daten aus unidirektionalen Zugversuchen berücksichtigt werden. Forschende im Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF haben bekannte Prüfvorschriften für den biaxialen Zugversuch verbessert. Die implementierte optische 3D-Vermessung des Probekörpers unter der Belastung ermöglicht die präzise Erfassung der Materialeigenschaften. Die Daten aus dem neuen Verfahren verbessern die Materialmodellierung und bilden damit die Grundlage für die erhöhte Konstruktionsqualität von Elastomerbauteilen.

Eine Modellierung auf Basis des Zugversuchs ist einfach, aber für reale Elastomere nicht ausreichend. Ziel ist es daher, wertvolle Informationen über das mechanische Verhalten von Elastomeren unter mehrachsigen Belastungen bereitzustellen. Der Aufblasversuch ist die einfachste Möglichkeit, biaxiale Zugbelastungen an Elastomerplatten zu realisieren. Die im Fraunhofer LBF entwickelte neue Methode liefert Daten für eine zuverlässige Modellierung von Bauteilen. So können Elastomerkomponenten für Automobile, Komponenten im Flugzeugbau oder Produkte für Sport, Medizin und Haushalt zuverlässig und kostengünstig ausgelegt werden.

Neues Verfahren verbessert Materialmodellierung

Die Prüfvorrichtung besteht aus einem Kreisring, einer Elastomerplatte sowie einer Grundplatte. Die Elastomerplatte wird in die Prüfvorrichtung eingespannt und mit Wasser beaufschlagt, wodurch sie sich als Blase ausdehnt. In der Mitte der Blase tritt eine gleichmäßige biaxiale Zugspannung auf. Spannungskonzentrationen im Einspannbereich werden durch ein spezielles Design des Kreisrings vermieden. Um eine optimale Fixierung der Platte zu gewährleisten, wird der Kreisring auf der Grundplatte zentriert und sorgfältig verschraubt. Die Auswertung der Geometrieänderung der Blase unter der Belastung erfolgt im Post-Processing über die 3D-Software GOM Aramis. Die Versuchsergebnisse können bis zu einer Höhe der Blase von 45 Millimeter ausgewertet werden. Dabei wird die maximale Höhe durch Anpassung des Durchmessers des Kreisrings eingestellt. Der Innendurchmesser des Kreisrings von 40 bis 50 Millimeter wird für Elastomerplatten empfohlen, um zuverlässige Ergebnisse bei der Auswertung zu erhalten. Eine elliptische Bohrung kann ebenfalls verwendet werden, um zusätzliche Spannungszustände in der Blase für eine vertiefte Materialanalyse zu erhalten. Als Druckmedium werden Wasser oder alternative Fluide eingesetzt. Die Untersuchungen werden nach Kundenspezifikationen oder Normen durchgeführt.

Auswertung von dreidimensionalen Deformationen durch digitale Bildkorrelation

Optimale Ergebnisse werden bei Probekörpern mit einem Außendurchmesser von 110 Millimeter erzielt. Die Dicke der Materialien wird vor der Untersuchung gemessen. Diese Messung basiert auf einem im Fraunhofer LBF entwickelten Verfahren, das die Entstehung der Spannungskonzentrationen im Messbereich verhindert. Die Probe wird mit einem statistisch verteilten schwarz-weiß Muster gesprenkelt und anschließend direkt geprüft, um eine optimale Haftung zwischen der Platte und dem Muster zu gewährleisten. Dies ermöglicht die Auswertung der Dehnungen auf der Probenoberfläche durch digitale Bildkorrelation. Zusätzlich erlaubt der Aufbau, Ergebnisse zum potentiellen Spannungswhitening in einem isochoren Deformationsmodus zu erhalten. Dies geschieht durch die Betrachtung eines unlackierten Flecks im vierten Quadranten der Probe.

Um Daten über eine mögliche Anisotropie des Materials zu erhalten, werden alle Probekörper unter Berücksichtigung ihrer Orientierung in die Prüfvorrichtung eingebaut. Der Aufbau ermöglicht es, die Probekörper ohne Luftblasen auf der Grundplatte zu platzieren, wodurch sichergestellt wird, dass die Inkompressibilitätsannahme für die druckbeaufschlagenden Medien erfüllt ist.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysieren die individuellen Herausforderungen bei der Modellierung von Elastomeren und bieten Expertise auf allen Ebenen des Konstruktionsprozesses.Das Fraunhofer LBF in Darmstadt steht seit über 80 Jahren für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für wichtige Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility, wie die Elektromobilität und das autonome, vernetzte Fahren. Umfassende Kompetenzen von der Datenerfassung im realen betrieblichen Feldeinsatz über die Datenanalyse und die Dateninterpretation bis hin zur Ableitung von konkreten Maßnahmen zur Auslegung und Verbesserung von Material-, Bauteil- und Systemeigenschaften bilden dafür die Grundlage. Die Auftraggeber kommen u.a. aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der rund 400 Mitarbeitenden und modernster Technologie auf mehr als 17 900 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche.