Wir wollen einen Kreislauf in Gang setzen

Way2K: Branchen-Interviews auf dem Weg zur K-Messe 2022

Interview mit Dr. Andreas Hirschfelder, Senior Vice President, Member of the Managing Board bei der LEONHARD KURZ GmbH & Co. KG

Herr Dr. Hirschfelder, wie treibt KURZ als Oberflächenveredler die Nachhaltigkeit voran?
Es gibt verschiedene Wege, auf denen wir das tun. Kurz hat zum Beispiel über Jahrzehnte einen Veredelungsprozess entwickelt und in der Kunststoffindustrie etabliert, der mit viel dünneren Schichten arbeitet, als sie sonst in der Lackierindustrie verwendet werden und das bei gleichbleibender Oberflächen-Performance. Damit lässt sich viel Material einsparen. Aber auch dieser dünne Trockenlack braucht ein Trägermedium, einen Polyesterträger, von dem er in den Verarbeitungsprozessen übertragen wird. Der Polyester ist ein prozessbedingter Abfall, der bisher meistens in der Zementindustrie verwertet wird. Hier wollen wir einen Kreislauf in Gang setzen, damit das PET-Material ein weiteres Mal verwendet werden kann, im Idealfall sogar mehrfach.

Wie funktioniert der?
Unsere Kunden sind oft Großverbraucher. Wir wissen also, wo unser Material verwendet wird. Deshalb haben wir mit ersten Kunden ein Rückholsystem gestartet. Wir holen ihr Abfallmaterial ab und recyceln es bei uns in einer eigenen Recyclinganlage so, dass daraus wieder hochwertige Spritzgussteile gefertigt werden können. Das ist technisch nicht ganz einfach, weil das Material naturgemäß nicht ganz sortenrein und sauber ist. Das ist die Stufe eins in diesem Prozess. In einer zweiten Stufe geht es darum, das zurückgewonnene Material wieder so in den Polyesterkreislauf hineinzubringen, dass Produkte mit allerhöchsten Ansprüchen daraus gemacht werden können, beispielsweise Folien. Das ist unser Endziel.

Haben Sie dabei Partner?
Wir haben als Verarbeiter viele gute Ansätze und Ideen, das Material im idealen Kreislauf zu führen. Wir brauchen aber die Industrie, die daraus wieder Polyester und Folien herstellt. Wir haben schon einige Hersteller von Virgin-Material als Kooperationspartner gewonnen. Wir arbeiten auch mit Folienherstellern zusammen. Ein wichtiger Punkt ist dabei auch, dass wir unser Transfer-Produkt so entwickeln, dass wir das Trägermaterial gut recyceln können. Das ist ein Umdenken gegenüber früher, wo man linear gedacht hat. Man muss heute einen ganzheitlichen Blick entwickeln.

Abgesehen von der Materialersparnis durch dünne Beschichtungen, welche nachhaltigen Entwicklungen gibt es bei Ihnen noch?
Unsere Oberflächendekorationen sind mittlerweile in Ihrer Zusammensetzung den Spritzgussmaterialien sehr ähnlich. Wir konnten zeigen, dass Bauteile mit unseren Beschichtungen beliebig recycelt werden und mit unserer Dünnschichttechnologie wieder auf dasselbe optische Qualitätsniveau gebracht werden können. Unsere Designs stellen durch die geringe Materialdicke keine Störung dar. Zusätzlich haben Studien in der Verpackungsindustrie gezeigt, dass Sortieranlagen bei Verpackungen mit unseren Beschichtungen immer noch den Grundkunststoff, etwa das Polypropylen oder das Polyethylen, erkennen können. Schließlich können alle unsere Methoden zur Oberflächenveredlung auch Recyclingmaterial genauso dekorieren und funktionalisieren wie neues Material.

KURZ verfolgt das Ziel, für Dekorationen bis zu 80 Prozent Rohstoffe organischen Ursprungs einzusetzen. Ist das zu schaffen?
Ja, wir setzten heute schon etwa 30 Prozent Rohstoffe organischen Ursprungs ein. Farben und Lacke gab es bereits vor der Erfindung der Kunststoffe, so gibt es in der Lackindustrie schon heute Beschichtungen auf der Basis nachwachsender Rohstoffe. Das sind zum Beispiel Zellulosederivate, die für viele Grundbeschichtungen ausreichen. Wir wollen immer mehr Material einsetzen, das entweder direkt aus nachwachsenden Rohstoffen besteht oder das biologisch abbaubar ist. Wir haben heute schon Produkte, die zu hundert Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Die Herausforderung ist es, mit der Performance sehr nahe an das Bestehende herankommen und es teilweise sogar zu übertreffen. Dieser Rohstoffwechsel wird eine erhebliche Reduzierung im CO2-Footprint bringen.

Ist das auch ein Preisunterschied?
In der Regel ja. Es ist etwas Neues, das noch nicht in großen Mengen verfügbar ist. Wir bemerken bei unseren OEM-Kunden und Brandownern ein Umdenken. Zunehmend werden nachhaltige Ansätze honoriert. Teilweise taucht das schon in den Spezifikationsvorgaben auf. Dieses Bewusstsein wächst. Es war noch vor zwei Jahren bei Weitem nicht so groß. Man findet heute eher ein offenes Ohr.

Welchen Vorteil hat es für die Firma KURZ, schon früh solche nachhaltigen Wege zu gehen?
Wer sich an die Spitze einer Bewegung setzt, investiert in Chancen. Die Diskussion um ESG, die Kriterien Environment – Governance – Social, wird in Vorschriften und Gesetze münden, das steht fest. Wer, wie wir, früh dabei ist, hat Gestaltungsmöglichkeiten. Wir gehen davon aus, dass die Menschen auch in Zukunft Wert auf Ästhetik legen werden, auf wertige Oberflächen für langlebige Produkte. Hier können wir Möglichkeiten aufzeigen, wie das nachhaltig zu machen ist. Wir müssen aufhören, beim Thema Nachhaltigkeit immer nur über Verzicht zu sprechen. Im Übrigen arbeiten wir als Familienunternehmen schon seit 120 Jahren nachhaltig. Früher lag der Fokus mehr auf dem Umwelt- und Arbeitsschutz, heute verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz und übernehmen auch im sozialen Bereich Verantwortung. Die logische Konsequenz daraus war für uns der Betritt zum UN Global Compact. Damit gestalten wir unser Engagement weltweit transparent.