Way2K 2025
Interview auf dem Weg zur K 2025 mit Dr. Stephan Gneuss, Geschäftsführer der Gneuss Kunststofftechnik GmbH
Herr Dr. Gneuss, wie hat sich das Recycling in den vergangenen Jahren entwickelt?
Inzwischen haben viele Inverkehrbringer von Kunststoffprodukten erkannt, dass sie auch Recyclingwege für Produkte aufzeigen müssen. Daher wurden in den letzten Jahren Recyclingprozesse entwickelt, die es früher noch nicht gab. Man will zeigen, dass man die Produkte im Kreis führen kann oder sie zumindest erst einmal recyclingfähig machen kann. Sehr viele neue Applikationen wurden mit Recyclingkonzepten unterlegt, die zumindest technisch funktionieren. Ob das in der Praxis funktioniert, ist eine andere Frage. Dafür muss man die Sammelwege verbessern. Die sind noch lange nicht perfekt.
Ist die Lebensmitteltauglichkeit von rezykliertem Material schon erreicht?
Hier hat es einige Erfolge gegeben, getrieben durch die Amerikaner. Die dortige Zulassungsbehörde FDA geht viel flexibler vor, als ihr EU-Pendant, die EFSA. In den USA ist die Bandbreite von zugelassenen Kunststoffmaterialien mittlerweile signifikant größer geworden. In Europa hat sich zwar auch einiges getan. Allerdings ist das alles bisher sehr unzufriedenstellend gelöst. Grundsätzlich ist es so, dass sich die Lebensmitteltauglichkeit für die allermeisten rezyklierten Kunststoffmaterialien umsetzen lässt.
Ist der Einsatz von Rezyklaten inzwischen wirtschaftlich?
Es gibt Phasen, in denen Neuware teurer ist, aber es gibt auch Phasen, in denen Rezyklate teurer sind. Der große Boom beim Recycling von PET Bottle Flakes kam ja dadurch, dass sie eben nicht teurer waren. Im Moment hat sich die Situation wieder gedreht. Neuware ist aktuell sehr günstig und das setzt die Rezyklate extrem unter Druck. Denn deren Produktionskosten sind aufgrund hoher Energiekosten, hoher Kosten für das Sammeln, Sortieren und Reinigen sehr hoch. Diese Situation bereitet vor allem den Recyclern Sorgen und reduziert natürlich auch den Anreiz von Unternehmen, überhaupt Rezyklate einzusetzen. Kurzum: Wer heute Rezyklate einsetzt, macht das, weil er es muss, weil er entweder gesetzliche Vorgaben hat oder weil seine Kunden das von ihm verlangen. Aber wenn man es nicht machen muss, tut es auch keiner, weil es einfach mehr Geld kostet.
Was müsste passieren, damit sich diese Situation ändert?
In Europa wird schon seit langem darüber geredet, verbindliche Quotenvorgaben einzuführen. Die machen natürlich nur Sinn, wenn es auch das gesetzliche Rahmenwerk dafür gibt. Da hakt alles noch sehr. Die Quotenvorgaben sollen wohl recht bald in Kraft treten. Aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind noch nicht in Sicht. Es müsste beispielsweise festgelegt werden, welche Prozesse zugelassen werden, damit man Rezyklat im Lebensmittelbereich einsetzen kann. Die EU hat jetzt eine Art Zwischenlösung gefunden. Sie erteilt entsprechende Genehmigungen unter Vorbehalt. Das ist aber für Maschinenbauer wie Gneuss schlicht katastrophal. Wer investiert denn unter Vorbehalt in eine neue Maschine, die er dann später vielleicht doch nicht verwenden darf.
Was halten Sie denn von Quotenvorgaben?
Ich sehe sie durchaus positiv. Und zwar Quotenvorgaben als Content-Vorgaben, wo dies sinnvoll ist, und ansonsten als Verwendungsvorgaben. Denn dann würde sich das Design for Recycling durchsetzen. Das ist der Schlüssel. Im Moment geht es beim Design meist um optische oder um Kostenoptimierung. Dadurch werden die Recycling-Fähigkeiten meist nicht besser. Ich glaube, dass wir dort noch viel Potenzial haben, zu einfacheren und kostenaktiveren Recyclingprozessen zu kommen. Closed-loop Recycling macht nicht bei allen Produkten ökonomisch und ökologisch Sinn, ausschlaggebend ist aus meiner Sicht, dass so viel Kunststoff wie möglich überhaupt recycelt wird.
Wie sieht es anderswo auf der Welt mit dem Recycling aus?
Wir sehen einige vielversprechende Regionen. Zum Beispiel Indien. Dort gibt es schon gesetzliche Quotenvorgaben und auch die entsprechenden Regelungen. Das löst gerade einen Nachfrageboom nach Recyclingmaschinen im Kunststoffbereich aus. Wenn sich andere asiatische Länder Indien zum Vorbild nehmen, könnte der Markt riesig werden. Auch aus Nord- und Südamerika kommen größere Nachfrageimpulse. In den USA gibt es zwar noch wenig gesetzlichen Druck. Aber grundsätzlich glauben wir, dass das Recyclingsegment sein Potenzial in den USA bisher nicht ausgeschöpft hat. Demgegenüber ist die wirtschaftliche Situation in Europa nicht gut. In Deutschland ist sie besonders schlecht.
Gibt es dennoch neue Wettbewerber für Gneuss?
Ja, die gibt es und die meisten kommen aus China. Das ist ein großer, dynamischer Markt. China hat auch ein paar regulatorische Maßnahmen getroffen, die das Recycling unterstützen. Und deshalb gibt es viele neue Maschinenbauer in diesem Bereich. Die werden über kurz oder lang auch andere Märkte bedienen wollen. Zuerst vielleicht die asiatischen, aber irgendwann auch die in Europa und den USA. Wir werden aber Lösungen finden, mit denen wir uns weiterhin technologisch absetzen. Es ist einfach unsere Aufgabe, immer eine Nasenlänge voraus zu sein.
Sehen Sie noch Standortvorteile in Deutschland?
Traditionell hat Deutschland einen Wettbewerbsvorteil im Bereich der beruflichen Bildung. Durch das duale System, das es in den wenigsten Ländern in vergleichbarer Form gibt, haben wir noch relativ gut ausgebildete Facharbeiter. Die USA, zum Beispiel, sind als Standort zwar steuerlich attraktiver. Aber der Mangel an Facharbeitern ist dort noch viel schlimmer als bei uns. Bei uns in Deutschland wird die Situation aber auch schlechter, bedingt durch den demografischen Wandel ebenso wie durch eine um sich greifende Technikfeindlichkeit.
Was wollen Sie auf der K vermitteln?
Wir wollen verdeutlichen, dass Kunststoff etwas Positives und Leistungsstarkes ist und ein erhebliches ökologisches Potenzial birgt. Natürlich sollte er recycelt werden. Daran arbeiten wir. Insofern finde ich das Motto der K “The Power of Plastics – Green – Smart – Responsible” gut gewählt. Der Gneuss-Slogan für die K steht noch nicht fest. Er wird aber in dieselbe Richtung gehen.