Die industrielle Kommunikation wird sich verändern

OPC UA @NPE 2024 – What’s in it for the customer?

Branchen-Interview mit Dana Ford, Auxiliary Controls Engineer für Material Handling/Auxiliary bei Wittmann Inc.

Herr Ford, in den USA ist der OPC UA-Standard noch weitgehend unbekannt. Woran liegt das?
OPC wurde zwar ursprünglich in Nordamerika entwickelt, war aber in der Kunststoffindustrie zunächst nicht sehr bekannt. Das ändert sich erst in jüngster Zeit. Vor allem der europäische Markt hat in den letzten Jahren durch die Einführung des OPC UA-Protokolls ein erhebliches Wachstum erfahren. In der Kunststoffindustrie der USA ist dieses neue Protokoll tatsächlich kaum verbreitet. Die Anwender sind hier noch sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, ihre etablierten Kommunikationswege zu ändern. Einmal implementiert, lassen sich diese Wege nur schwer anpassen, vor allem wegen der damit verbundenen Kosten für die Aufrüstung von Geräten und Software. Infolgedessen verlassen sich viele Kunden immer noch auf etablierte FieldBus-Systeme für die direkte Kommunikation mit Feldgeräten innerhalb einer Arbeitszelle.

Gibt es konkurrierende Kommunikationsstandards? 
In der Tat sind MODBus, Profinet und DeviceNET-ControlNET weit verbreitete Kommunikationsprotokolle. Diese Protokolle werden im Allgemeinen als FieldBUS bezeichnet. Es ist jedoch wichtig, ihre Beschränkungen zu kennen. Trotz ihrer Effizienz bei der Handhabung von Echtzeitkommunikation sind diese Protokolle unzureichend, wenn es darum geht, eine sichere Kommunikation zu gewährleisten. Sie haben außerdem Beschränkungen hinsichtlich der Datenmenge, die gesammelt werden kann. Die Integration größerer, kosteneffizienter Prozessoren hat aber einen grundlegenden Wandel eingeleitet. Der vorherrschende Trend ist nun die Einführung von Protokollen, die nicht nur eine schnellere Kommunikation ermöglichen, sondern auch die sichere und effiziente Erfassung großer Datenmengen gewährleisten. Dafür ist OPC UA eine perfekte Lösung.

Viele europäische Unternehmen des Kunststoffmaschinenbaus übernehmen die Vorreiterrolle bei der Entwicklung einheitlicher Standards für die Maschinenkommunikation. Wittmann ist eines von ihnen. Warum tun Sie das?
Wittmann ist seit jeher führend in der Entwicklung von Geräten, die über fortschrittliche Überwachungs- und Analysemöglichkeiten verfügen. Dieses Engagement ermöglicht es Wittmann, Zeit in die Standardisierung und Verfeinerung der Software zu investieren. Wir wollen unsere Erkenntnisse mit den Gruppen teilen, die einheitliche Standards für eine effektive Maschinenkommunikation festlegen. Mit der Einführung der Wittmann WorkCell ist es heute  möglich, alle Wittmann-Peripheriegeräte mit Hilfe von OPC UA einfach in die Spritzgießmaschine zu integrieren. Das Ziel ist es, dass die Kunden nicht nur ein Gerät, sondern einen ganzen Prozess erhalten, der ihre Produktionsmöglichkeiten deutlich erhöht. Die Branche kommt in eine Phase, in der die Anbieter zunehmend gezwungen sind, höhere Standards einzuhalten. Die Nachfrage nach Feldgeräten, die immer umfangreichere Datensätze liefern, treibt die kontinuierliche Analyse und Verfeinerung des Produktionszyklus voran. Gleichzeitig soll die nahtlose Integration von Peripheriegeräten mit vereinfachten Anschlüssen und verkürzten Inbetriebnahmezeiten den Produktionszyklus entlasten.

Die Wittmann-Gruppe bietet ihren Kunden Spritzgießmaschinen und die dazugehörige Peripherie an. Wenn ein Kunde eine Komplettlösung bei Ihnen bestellt, braucht er dann überhaupt einen offenen Standard wie OPC UA?
Ja, denn auch wenn Wittmann all diese Geräte herstellt, kann das wahre Potenzial dieser Werkzeuge nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn sie über die Grenzen einer Produktionszelle hinaus kommunizieren. Geräte wie Spritzgießmaschinen werden benötigt, um Verbindungen mit MES-Systemen für die Auftragsplanung herzustellen oder um historische Daten für die Qualitätskontrolle zu sammeln. Man stellte sich vor, dass ein Kunde seine Spritzgießmaschine mit MES-Anbindung für Produktionsdaten nutzen möchte, aber auch genaue Daten über den Materialverbrauch benötigt, die über einen gravimetrischen Harzmischer oder eine Harzzuführung zur Erfassung des Harzverbrauchs gewonnen werden können. Als Reaktion auf diese Anforderungen wird die Bereitstellung eines OPC UA-Pakets für alle Anlagen in der Kunststoffindustrie immer mehr zur Voraussetzung.

Warum ist es auch für Hersteller von Peripheriegeräten wichtig, Zugang zu einem standardisierten Kommunikationsstandard zu haben?
Im industriellen Bereich ist der sichere Datenaustausch zwischen Maschinen extrem wichtig, sei es für die Produktionsplanung, den Betrieb oder die Qualitätskontrolle. Im weiteren Sinne ergibt sich dies aus den Anforderungen der Industrie, die den technologischen Fortschritt ständig verbessert. Man denke einmal an die Zeiten zurück, als man sich beim Anschluss eines Druckers an einen PC noch durch ein Labyrinth von Kabeln und Treibern kämpfen musste. Heute ist das USB-Kabel zur Norm geworden, das man einfach nur einstecken muss. In ähnlicher Weise wird sich auch die industrielle Kommunikation verändern. In der Vergangenheit musste man sich mit seriellen Kabeln, Baudraten und Abschlusswiderständen herumschlagen, um einen Wassertemperaturregler für die Schnittstelle zu einer Spritzgießmaschine zu konfigurieren. Jetzt aber erleben wir einen Wandel hin zu einer verbesserten Konnektivität. Die Einführung von Standard-Kommunikationsprotokollen ermöglicht es uns beispielsweise, einen Wassertemperaturregler mit einer Spritzgießmaschine zu verbinden, indem wir einfach ein Standard-Ethernet-Kabel einstecken, das eine schnelle Erkennung und Steuerung ermöglicht.

Wo müssen Sie in den USA ansetzen, damit die Kunden die Plug-and-Play-Lösung von OPC UA so attraktiv finden, dass sie sie implementieren?
In einem ersten Schritt gilt es, die spezifischen Anforderungen des Kunststoffverarbeiters zu identifizieren. In Branchen wie der Medizintechnik oder den FDA-Vorschriften, in denen eine umfassende Datenverfolgung für die Qualitätskontrolle erforderlich ist, ist es beispielsweise von Vorteil, sich mit dem etablierten MES- oder SCADA-System des Kunden zu verbinden. Insbesondere suchen diese Kunden immer wieder nach Konnektivität zur Spritzgießmaschine, wobei sie zunehmend dazu neigen, Ethernet-Protokolle wie Euromap für die Spritzgießmaschinen-Integration zu übernehmen und dabei OPC UA-Standards zu nutzen. Darüber hinaus bereichert der strategische Vorteil, Wittmann-Peripheriegeräte über eine OPC UA-Verbindung zu verknüpfen, den gesamten Konnektivitätsrahmen.

Möchte ein Kunde hingegen nur die Produktionseffizienz steigern, indem er die Anfahrzeiten und den Werkzeugwechsel reduziert, ist der Einsatz einer Spritzgießmaschinen-Arbeitszelle eine attraktivere Option. In diesem Szenario werden alle Peripheriegeräte über OPC UA angeschlossen, was eine nahtlose Integration und Einstellung der Peripheriegeräte von einer zentralen Stelle auf der Spitzgießmaschine ermöglicht. Dieser schlanke Ansatz verkürzt die Inbetriebnahmezeiten erheblich. Das macht ihn besonders für Kunststoffverarbeiter interessant, die häufige Werkzeugwechsel vornehmen müssen.